Das Beitragsbild zeigt einen Blick auf Ebersberg, aus dem Wald heraus. Foto: Wolfgang Epple
veröffentlicht 2021; ergänzt 2023
Ein Konflikt mit grundsätzlicher Bedeutung: Windkraft bedroht den Ebersberger Forst
Um welches Gebiet geht es?
Inhalte sind einerseits aus der sehr informativen Internet-Seite von Franz Czech aus Hohenlinden zum Ebersberger Forst entnommen. Auf die Beschreibung des Gebietes in Wikipedia und der Bayerischen Staatsforste wird ebenfalls zurück gegriffen.
Die Bayerischen Staatsforsten schreiben zum Ebersberger Forst:
Der Ebersberger Forst ist Landschaftsschutzgebiet, Wasserschutzgebiet und „Bannwald“.
Bayerisches Waldgesetz; (BayWaldG), Art. 11: (fette Hervorhebung durch WE):
Bannwald (1) Wald, der auf Grund seiner Lage und seiner flächenmäßigen Ausdehnung vor allem in Verdichtungsräumen und waldarmen Bereichen unersetzlich ist und deshalb in seiner Flächensubstanz erhalten werden muss und welchem eine außergewöhnliche Bedeutung für das Klima, den Wasserhaushalt oder für die Luftreinigung zukommt, soll durch Rechtsverordnung zu Bannwald erklärt werden.(2) Zu Bannwald kann durch Rechtsverordnung ferner Wald erklärt werden, der in besonderem Maß dem Schutz vor Immissionen dient.
Seit 2004 ist der Süden und Osten des Ebersberger Forstes als FFH-Gebiet „Ebersberger und Großhaager Forst„ mit ca. 3265 Hektar ausgewiesen. Dies trägt dem dortigen Vorkommen besonders schutzwürdiger Arten Rechnung. Es gibt einen Managementplan für das FFH-Gebiet aus dem Jahr 2011: Dort heißt es:
Hiermit ist bereits sehr viel gesagt zum Naturschutzwert des gesamten Ebersberger Forstes.
Ein Fachgutachten im Auftrag des Landratsamtes Ebersberg aus dem Jahr 2019 mit dem Titel…
Kartierung von Großvögeln und Fledermäusen im LSG Ebersberger Forst als Grundlage für die Entscheidung über eine Zonierung des Landschaftsschutzgebietes für die Windenergienutzung. Endbericht vom 08.11.2019. GFN-Umweltplanung Gharadjedaghi & Mitarbeiter, München; Auftragsgutachten des LRA Ebersberg.(Studie liegt vor, und ist beim Landratsamt Ebersberg publiziert, hier.).
…kommt zu einem eindeutigen Urteil und Fazit:
„Es gibt definitiv keine Teilflächen innerhalb des UGs, die für die untersuchten Artengruppen wertlos oder ungeeignet und damit bezüglich einer Windkraftnutzung konfliktarm wären. (…) Nach unserer gutachterlichen Einschätzung ist eine Zonierung des (…) Untersuchungsbgebietes (…)innerhalb des LSG Ebersberger Forstes für die Zwecke der Windenergienutzung auf Basis der vorliegenden Daten zu Vorkommen von Fledermäusen und Vögeln nicht sinnvoll möglich“
Naturschutzfachlich ist es mehr als berechtigt, dass der Ebersberger Forst bei „Pro Wald.org“ unter den „Bedrohten Wäldern“ Deutschlands aufgenommen ist. Und eigentlich hätte das Thema Windkraft in einem so bedeutenden Wald nicht mehr aufkommen dürfen.
Eine „Volksbefragung“ mit zweifelhaftem Wortlaut
Am 9. Oktober 2020 titelt die Süddeutsche Zeitung:
Fünf Windräder im Ebersberger Forst? Antworten im Mai 2021
Wörtlich heißt es im Bericht der Süddeutschen:
Und hier die „sperrige“ Formulierung, die die Bürger des Landkreises mit „ja“ oder „nein“ ankreuzen konnten:
Die gezielte Irreführung in der Formulierung „zur Förderung der Landschaftspflege“ (!) dürfte bundesweit eine der dreistesten Formulierungen sein, die je gewählt wurden, um das Eindringen der Windkraftindustrie in einen bislang verschonten und geschlossenen Wald zu „umschreiben“.
In einer Stellungnahme des renommierten Juristen Peter Fischer-Hüftle (nachzulesen bei der Bürgerinitiative St 2080) wurde die irreleitende Fragestellung und die angeblich rechtssichere vertragliche Begrenzung auf nur 5 Windenergieanlagen mit deutlichen Worten entlarvt. Zum Wortlaut der Abstimmung formuliert der Rechtsexperte: „Die Stimmberechtigten können bei der Abstimmung über den Bürgerentscheid nur dann sachgerecht entscheiden, wenn sie den Inhalt des Begehrens verstehen, seine Auswirkungen überblicken und die wesentlichen Vor- und Nachteile abschätzen können. Damit ist unvereinbar, wenn in der Fragestellung oder in der Begründung eines Bürgerbegehrens in abstimmungsrelevanter Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder die geltende Rechtslage unzutreffend oder unvollständig erläutert wird.(…)“ Ich empfehle meinen Lesern, die im weiteren Text nachlesbare sorgfältige Bloßstellung der Irreführung und der juristischen Fragwürdigkeit im Bürgerentscheid durch den Spitzenjuristen nachzulesen (Stellungnahme eines Spitzenjuristen zum Ratsbegehren; eingestellt bei der Bürgerinitiative St2080).
Was sich im Frühjahr 2021 abspielte, war ein regelrechter „Wahlkampf“ um die Windkraft im Ebersberger Wald, gegen Kritiker geführt mit harten Bandagen und mit den üblichen Fake-Nüssen der Windkraftindustrie und ihrer Unterstützer, leider auch mit Verunglimpfung und Verleumdung gegen Windkraftkritiker und Windkraftkritik. Ein Beispiel sei hier, bei der Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst e.V. verlinkt. (s.nochmal unten).
Eine auch nur annähernd sachgerechte Information durch die politisch und in der zuständigen Verwaltung Verantwortlichen für die betroffenen Bürger als Handreichung zum ohnehin fragwürdigen „Bürgerentscheid“ hat es nicht gegeben. Im Gegenteil:
Wie Dr. Ludwig Seebauer, der Vorsitzende der BI St2080 in einer Stellungnahme zum knappen Ergebnis des Bürgerentscheids am 16. Mai 2021 in Erinnerung ruft, war der Landkreis von Anfang an Partei:
Die Leitmedien hatten und haben sich bis heute – wie bundesweit inzwischen üblich – auf die Seite der Windkraft geschlagen – oft plump, manchmal subtil, aber immer mit Wirkung…Die ohnehin windkraftaffine Süddeutsche Zeitung (siehe Epple 2021), inzwischen führend in der oft nicht einmal mehr unterschwelligen Verketzerung von Windkraftkiritk, produzierte am 16. April 2021 in der heißen Phase des öffentlichen Schlagabtausches beispielsweise diese Dachzeile schon als Tendenz: „(…)Die Gegner des geplanten Windparks im Ebersberger Forst starten eine Kampagne für ein Nein beim Bürgerentscheid am 16. Mai. Viele ihrer Argumente sind zumindest fragwürdig.(…)“
In jener Phase des zunehmend schmutzig geführten „Wahlkampfes“ um die Windräder im Ebersberger Wald hat sich eine unabhängige Wählergruppe aus dem Gemeinderat Markt Schwabens, „Zukunft MarktSchwaben“, an mich gewandt, und zu mehreren Schwerpunkt-Inhalten der Auseinandersetzung Interviews mit dem Hintergrund der Ganzheitlichkeit des Naturschutzanliegens geführt.
Hier geht es zur Playlist mit 13 Videos: https://www.youtube.com/playlist?app=desktop&list=PLvpWHOfAUuo_YHqiQDFEEpbrAp3JIOfoG
Äußerst knappes Ergebnis der Bürgerbefragung – ein „Sieg“ wessen über wen?
Am Tag des Bürgerentscheids, am 16. Mai 2021, hatte die Süddeutsche sogar eine Live-Ticker installiert.
Das Ergebnis: 52,74 % haben mit „Ja“ gestimmt, 47,26 % mit „Nein“; die Wahlbeteiligung lag bei 61,89 Prozent.
Bis hinein in überörtliche Medien wurde das äußerst knappe Ergebnis als pro Windkraft im Wald gefeiert, mit… „Signalwirkung weit über den Landkreis hinaus“… Die „Erleichterung“ des pausenlos für Windkraft als vermeintlich sichere dezentrale Energieversorgung trommelnden derzeitigen bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist daher nicht überraschend; sie ist garniert mit jenen einschlägigen zentralen Fake-Nüssen der Windkraftindustrie; aus der Pressemitteilung der Staatsregierung vom 16.05.2021: „(…)Die Windenergieanlagen im Ebersberger Forst werden ein Fünftel aller Haushalte in Kreis Ebersberg mit regenerativer Energie versorgen. Zudem können die Bürger und Kommunen in die Anlagen investieren und an der Wertschöpfung beteiligt werden. Energiewende mit Wertschöpfung vor Ort, das ist der richtige Weg. Unsere Windkümmerer stehen bereit, um neue Energieprojekte zu unterstützen.“
Speziell und herausragend aber haben sich (neben der SPD) die GRÜNEN und ihre Jugend für die Windkraft im Ebersberger Wald engagiert und feierten entsprechend ihren „Sieg“…:
Zur Erinnerung sei der Screenshot der öffentlichen Darstellung einer sehr bezeichnenden Aktion der „GRÜNEN Jugend Ebersberg“ am 25. April 2021 hier publiziert. Aus der GRÜNEN Jugend rekrutieren sich in weiten Teilen bundesweit auch die Anführerinnen von „Fridays for Future“:
In einem Gastbeitrag für das „Wendeblatt Nr.11“ der erwähnten unabhängigen Wählergruppe ZMS setze ich mich bewusst mit der immer wieder wenn es um Windkraft geht ins Feld geführten Generationengerechtigkeit auseinander. Diesem Aspekt ist auch ein Abschnitt in meinem Buch zum Konflikt gewidmet: Epple, W. (2021). Windkraftindustrie und Naturschutz. Windkraft-Naturschutz-Ethik. Eine Studie für die Naturschutzinitiative e.V. (NI), 544 Seiten. Verlag BoD – Books on Demand, Norderstedt; dort Seite 460 ff..
Nachdem sich „Pro Windenergie Ebersberger Forst “ in einem mit unsäglichen Verleumdungen gespickten offenen Brief speziell auf das „Klima-Urteil“ des BVerfG vom 24.03.2021 beruft (der Brief ist nachzulesen bei der Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst e.V.), nachdem aus diesem Urteil ein Schub an Naturzerstörung und damit Beschädigung der Schutzgüter des Art. 20a GG im Rahmen der Energiewende hergeleitet und begründet werden wird, verweise ich auf die der Generationengerechtigkeit zuwider laufende Engführung des Diskurses um den Klimawandel auf CO2 gerade auch beim BVerfG. Ich habe unter dem Stichwort Generationengerechtigkeit hierzu eine aktuelle Kritik verfasst:
Epple, W.(2021): Generationengerechtigkeit und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Anmerkungen zum „Klimaschutzgesetz-Urteil“ des BVerfG vom 24.03.2021 aus Sicht des Naturschutzes. Naturschutz Magazin der Naturschutzinitiative e.V. 03/2021: 12-18. Der Beitrag ist als Denkanstoß direkt abrufbar . Die verwendeten Quellen hier.
Die Ermunterung der Erneuerbaren-Energien-Branche zur „Entfesselung“ durch das BVerfG und die begleitend berichtenden Medien allerdings ist in Bayern bis hinauf auf den höchsten Berg Deutschlands vorgedrungen:
Ein neues bayerisches „Umweltbündnis“ und seine Verantwortung für den Schutz der Wälder
2. September 2021:
Ein „Umweltbündnis“ liefert weitere Steilvorlagen für die Windkraft-Entwertung der Wälder in Bayern:
„Wir brauchen die Entfesselung der Erneuerbaren Energien“ tönt Richard Mergner, Bund Naturschutz Bayern, bei einem „Event“ auf der Zugspitze in die BR-Kamera (https://www.br.de/mediathek/video/umweltbuendnis-auf-der-zugspitze-forderungen-fuer-den-klimaschutz-av:6131c561804f3e0007c5e288; Video sichtbar bis 02.09.2022). Wieder liefert neben dem Bayerischen Rundfunk unter anderem die Süddeutsche Zeitung, dort erfahren wir: Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) forderte den schellen Ausbau der Windkraft. „Ohne sie ist die Energiewende zum Scheitern verurteilt“, sagte er (https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-klimaschutz-protest-zugspitze-windkraft-1.5398997). Man ist sich also einig an den Verbandsspitzen:
„Entfesselung“ der Windkraft…
Was bedeutet das für die direkt betroffene Basis beispielsweise dieses „Landesbundes für Vogelschutz„?
Hier der Wortlaut des Vorsitzenden der Kreisgruppe Ebersberg des LBV, Benedikt Sommer zur geplanten „Zonierung“ des Landschaftsschutzgebietes Ebersberger Forst: „Die Kreisgruppe Ebersberg des LBV spricht sich klar gegen die Aufweichung des Landschaftsschutzgebiets aus. Hier wird ein wichtiges, intaktes Waldgebiet mit einer Einzelmaßnahme beeinträchtigt, ohne dass ein zugrundeliegendes Gesamtkonzept zur Erreichung der Energieziele bekannt wäre.“ (https://www.storch-in-bayern.de/ebersberg/index.php/wissenswertes/windkraft-im-ebersberger-forst).
Der stellvertretende Vorsitzende dieser Kreisgruppe, Richard Straub, hat sich die Mühe gemacht, und den Sinn von Landschaftsschutz gründlich hinterfragt. Er kommt in seinem „Faktencheck“ zu einem klaren Ergebnis:
„Was ist ein LSG eigentlich wert, wenn Schutzzweck und Artenschutz ökonomischen Interessen geopfert werden? Damit würde ein Präzedenzfall geschaffen werden, der den dauerhaften Schutz weiterer LSG in Frage stellt. Deshalb ein „NEIN“ zur Zonierung im Ebersberger Forst!
Richard Straub, April 2021″ (https://www.storch-in-bayern.de/ebersberg/index.php/wissenswertes/faktencheck-die-Bedeutung-von-landschaftsschutzgebieten-lsg)
Die Frage nach dem „Wert eines Landschaftsschutzgebietes“ stellt sich seit Oktober 2021 verschärft:
Zonierung und Schutzzweck – das „Konzept“ eines Münchner Professors als eine gezielte Auftragsarbeit zur Ermöglichung der Windkraft?
Es kann kein Zufall sein, dass ein inhaltlich und in den Zielen festgelegter Verfechter der Windkraft im Auftrag des Landratsamtes Ebersberg für die angeblich fachlich begründete Entwertung des Landschaftsschutzgebietes Ebersberger Forst in Stellung gebracht wird.
In einem Beitrag für den Umwelt-Watchblog des VLAB habe ich deshalb die vom Landkreis Ebersberg bestellte Ausarbeitung eines Münchner Landschaftsarchitekten aufgegriffen. Prof. Sören Schöbel-Rutschmann, Inhaber der Professur für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume an der Technischen Universität München (TUM School of Engineering and Design) ist als militanter Verfechter der Windkraft für viele steile Formulierungen bekannt, in denen er Landschaftsgestaltung und Landschaftsästhetik im Sinne der Windkraftindustrie neu definiert. Im Oktober 2021 wurde auf Bestellung des Landkreises Ebersberg von dem Münchner Professor eine Ausarbeitung geliefert *, die offensichtlich das erwähnte windkraftkritische faunistische Gutachten für den Ebersberger Forst (GFN-Umweltplanung Gharadjedaghi & Mitarbeiter, München; Auftragsgutachten des LRA Ebersberg, s.o.) aushebeln soll. Das gelieferte und am 6. Oktober 2021 vorgestellte „Konzept“ hat es in sich. Windkraftinvasion in das vor den Toren Münchens gelegene, einzigartig geschlossene Waldgebiet soll unter der Vorgabe einer „Zonierung“ des Landschaftsschutzgebietes bzw. einer „Modifizierung“ der Verordnung und damit der Umdeutung des ursprünglichen Schutzzweckes ermöglicht werden. Methodisch arbeitet Schöbel-Rutschmann wie alle Windkraftbefürworter: Das von der Planung und Auslieferung an die Windkraft betroffene Gebiet wird möglichst weitgehend abgewertet…In der Zusammenfassung seines Elaborats wird deutlich, dass es nur noch um die Regelung der Zulässigkeit gehen soll, die grundsätzlich (auch für die Auftraggeber?) nicht mehr in Frage steht:
„Um die Zulässigkeit von Windenergieanlagen zu regeln, wird in den unterhalb der Höhenlinie von 545 m üNN und südlich der Römerstraße liegenden Gebieten, an der Wald-Offenland-Grenze in einem Abstand von mindestens 675 m vom Waldrand (…) die Errichtung von genehmigungsbedürftigen Windenergieanlagen in einer ca. 2.450 ha großen Zone von der Erlaubnis freigestellt“
Wohlgemerkt, was wird hier gefordert: …Errichtung von der Erlaubnis freigestellt !
Auf fast einem Drittel der Waldfläche soll es freie Fahrt für die fünf Windkraftanlagen geben – nur noch über die Details lässt sich reden, jedoch nicht über den Persilschein für Windkraft in einem so einzigartigen bewaldeten Ausgleichsgebiet für einen Ballungsraum. In Zeiten des galoppierenden Artenschwundes und des erkannten natur-zerstörerischen und klimaschädlichen Effektes der Schlägerung und des Aufreißens geschlossener Wälder schickt sich der Landkreis Ebersberg mit Unterstützung von ganz weit oben an, Naturschutzgeschichte im negativen Sinne um zu schreiben.
Weitere Einzelheiten und entlarvende Zitate aus dem Schöbel-„Konzept“ siehe in meinem Blogbeitrag des Watchblogs. Das Auftrags-Elaborat kann und sollte von Interessierten beim Landkreis Ebersberg angefordert werden. Es ist nach den rechtlichen Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes in Anwendung von Unionsrecht (Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen) zugänglich zu machen und liegt dem Verfasser vor:
*Schöbel-Rutschmann, S. (2021): Landschaftsschutzgebiet Ebersberger Forst – Zonierungskonzept Windenergienutzung. F&E Projekt ‚Landschaftsdialog‘ Vorlage ULV 6.10.2021. 15 Seiten.
Schöbel-Rutschmann dient sich – nicht überraschend – im Mainstream der windkraft-affinen Politik an. Er bezieht sich auf die Ankündigung des Ministerpräsidenten über die Auslieferung des Staatswaldes an die Windkraft; wörtlich heißt es :
„(…)Die Staatsregierung hat 2019 verkündet, die Zahl von Windener- gieanlagen in Staatsforstgebieten um bayernweit 100 erhöhen zu wollen. Diese Zahl wurde in einer Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder am 21.07.2021 auf 500 erhöht. Beide Ziele sprechen für eine Öffnung des LSG Ebersberger Forst für eine begrenzte Zahl von Windenergieanlagen.“
Trotz solcher letztendlich dramatischer Entwicklungen und gerade wegen des Versuchs, mit Hilfe der Politik und gestärkt durch den fragwürdigen Volksentscheid die Windkraft auf Biegen und Brechen im Ebersberger Wald zu ermöglichen, scheint um so sicherer:
Der Widerstand gegen die Entwertung des Ebersberger Forstes wird nicht einfach erlahmen:
Es stellt sich allerdings die Frage: Kann man mit den etablierten Umweltverbänden und mit Hilfe auf Windkraftkurs gebrachter Förster der Staatsforsten einen solch großen, geschlossenen und wertvollen Wald wie den Ebersberger Forst überhaupt noch schützen? Man erinnere hierzu das naturschutz-schwächende Gebaren der Umwelt-Verbände, aufgegriffen auf der Seite dieser Homepage zur Windkraft.
Ich formuliere im Folgenden einige Gedanken – sehr bewusst den Rahmen der bisherigen Diskussion sprengend:
Zukunft einmal anders denken für den Ebersberger Forst
Was wäre eigentlich in Zeiten der verschärften ökologischen Krise denkbar für die Zukunft eines so großen geschlossenen und wertvollen Waldgebietes in einer Metropolregion?
Haben wir überhaupt noch Visionen für den Naturschutz in Zeiten des Klima-Hypes ?
Wie wäre das:
Statt Windkraft-Entwertung ein zukünftiges Groß- und Entwicklungsschutzgebiet…
…ein zukünftiger
(Entwicklungs-)„Nationalpark Ebersberger Wald“
In vielen Ländern der Erde wäre ein so großer, in die Gegenwart geretteter und noch geschlossener Wald – zumal in der unmittelbaren Nähe einer weiterhin fruchtbare Erde fressenden Metropole wie München – längst Gegenstand weiter in die Zukunft reichender Überlegungen und Ansätze für den Schutz. Es sei daran erinnert, dass wir gerne von anderen Ländern und Gemeinschaften – möglichst in großer Ferne – selbstverständlich „Große Würfe“ und Verzicht zu Gunsten von Natur und Wildlife fordern.
Im Klima-Hype und naturfernen „grünen“ Zeitgeist ist gerade im dicht bebauten Deutschland der strikte und greifende Natur- und Flächenschutz in eigenartiger Weise zum Hindernis geworden (siehe: Epple, W. (2020): Naturschutz als Hindernis für „Klimaschutz“ und Energiewende? Die Windlobby bestellt – die Politik liefert. Eine Chronologie. Naturschutz Magazin der Naturschutzinitiative e.V. 03/2020: 32-37. https://www.naturschutz-initiative.de/images/PDF2020/Windkraftlobby.pdf Literaturverzeichnis zu Artikel: https://www.naturschutz-initiative.de/images/PDF2020/LiteraturlisteWE.pdf)
Wie kann trotz gesicherter Erkenntnisse über die Schädlichkeit der Wald-auflösenden Eingriffe, auch und gerade der Klima-Schädlichkeit des Auflichtens des Kronendachs, überhaupt darüber nachgedacht werden, ein solch überaus wertvolles Waldgebiet anzutasten?
Wie ich in meinem Buch zum Konflikt schreibe, stellt sich uns verschärft die Frage nach dem Tabu (siehe Schlusszitat Hans Jonas).
Zukunft des Naturschutzes im Ebersberger Forst – von der „Klimaschutz“-Gegenwart schon überholt?
Statt erweitertem Schutz aber wird der Ebersberger Forst derzeit unter dem Druck des „Klimaschutzes“ zum Menetekel und Negativ-Beispiel:
- Zonierung und Entwertung von Landschaftsschutzgebieten, das Ende des Landschaftsschutzes im Rahmen der Energiewende
- Gezielte Irreführung und Desinformation der Bevölkerung, wenn es um erneuerbare Energien geht
Gibt es wirklich kein Halten der Klimaschützer vor nichts und niemandem? Ist die gründliche Abwägung der betroffenen Güter in unserem Rechtsstaat endgültig außer Kraft? Funktioniert dieser Rechtsstaat nicht mehr, wenn es um „Klimaschutz“ geht?
Ich möchte deshalb der drohenden Entwertung des Ebersberger Forstes ganz bewusst den oben eingeführten Vorschlag eines Groß-Schutzgebietes als Vision entgegensetzen.
Zusammengefasst: Wie wäre es, liebe Denker einer lebenswerten Zukunft und Retter der Welt, mit dem
NATIONALPARK EBERSBERGER WALD ?
Gute Gründe gibt es genug:
Das Gebiet ist gut abgrenzbar. Es bestehen eindeutige „Grenzen“. Der größte Teil ist im Besitz der öffentlichen Hand.
Die Entwicklung eines geschlossenen, bislang forstlich genutzten Waldgebietes hin zu einer Wildnis von Morgen ist fachlich nicht zu beanstanden und gesellschaftspolitisch weltweit und auch in Deutschland nichts Neues. Die Umwandlung ist nur eine Frage der Zeit, sie ist machbar. Ohne reale Verluste und Eigentumsprobleme zumindest im Staatswaldbereich. Der Staat ist rechtlich in der Lage, sein Gebiet in diese Richtung zu verwalten (im Gegensatz zur rechtlich nicht hürdenfreien Waldumwandlung zu Gunsten eines Industriekomplexes). Wildnisschutz ist die Vollendung des Naturschutzgedankens.
Die Entwicklung des Ebersberger Forstes hin zu einem Nationalpark Ebersberger Wald wäre auch für die Wissenschaft ein unschätzbares Reallabor für die Dokumentation der Anpassung eines vorher jahrhundertelang beförsterten Waldes; gerade in der kollinen Stufe gibt es zu wenige Wald-Großschutzgebiete. Wir und insbesondere unsere Nachfahren (nota bene: Generationengerechtigkeit!) würden Zeugen der immer wieder beschworenen und doch überaus seltenen Entstehung von „Urwald von Morgen“ – und dies auch noch unter Bedingungen des Klimawandels. Und dies auch noch vor den Türen bzw. inmitten einer Metropolregion.
Es entstünde eine phantastische Möglichkeit für die Einwohner Münchens und seiner weiten Umgebung, direkt Zeuge der Wiederkehr von Wald-Wildnis, ihrer Anpassung an den Menschen und an den Klimawandel zu werden.
Wie weit entfernt sind wir vom Wildnis-Gedanken, wenn es um einen solchen Wald und seine Zukunft geht? Auch hier: Wie immer kolportiert die Süddeutsche Zeitung besonders ausgeprägt gedankliche Engführung und Simplizierung, wenn es um den Konflikt des Natur- und Landschaftsschutzes mit der Windkraft geht, etwa um Aussagen dieser Qualität: „Der Wald stirbt nicht an ein paar Windkraftanlagen, sondern am Klimawandel“. Da wird dann ganz diffus und pauschal die „Wissenschaft“ bemüht, konkret: Auszug aus einem SZ-Artikel vom 27. April 2021, geschickt in die Zeit des Höhepunktes der Verunglimpfung von Windkraftkritik im Vorfeld des Ebersberger „Bürgerentscheids“ platziert; Dachzeile, im Artikel wiederholt: Windräder in Ebersberg:“Dann können wir Korkeichen anbauen“. Dann lässt die Süddeutsche aus berufenem Bund-Naturschutz-Munde erklären, was „(…)den Unterschied des BN zu anderen lokalen Umweltverbänden ausmacht: „Wir betrachten die Gesamtheit“, so Rautenberg. Unterstützung bekommt er von Martin Geilhufe, der bayerische Landesbeauftragte des BN ist ebenfalls in den Forst gekommen. Seine Prognose deckt sich mit wissenschaftlichen Berechnungen: Steigen die Temperaturen weiter an, werden heimische Bäume wie Fichte und Buche vertrocknen. Franz Höcherl von der Ortsgruppe Pliening drückt die Problematik mit einer im mediterranen Portugal heimischen Baumart aus: „Dann können wir nur noch Korkeichen anbauen.„“
(Fette Hervorhebung durch WE). Die Antwort auf diesen Unsinn wäre bei wirklich ganzheitlicher Betrachtung:
Nein: Wir pflanzen gar nichts!
Wir geben der Natur mit einem Großschutzgebiet eine Chance – eine Chance sowohl zur Mitigation als auch zur Anpassung nicht nur an den Klimawandel. Es ist die Chance zur gleichberechtigten Koexistenz – auf 10.000 Hektaren der Natur überlassener Fläche – mit Hunderttausenden davon profitierenden Menschen in der ringsum längst zersiedelten Umgebung.
Die Utopie für den EBE-Forst – ganzheitlicher Naturschutz wird real:
Meine persönliche Naturschutz-„Utopie“ für den Ebersberger Wald und seine Umgebung , jenseits der Vorstellungen heutiger „BN-Gesamtheit“, sei zumindest in aller Unvorsicht noch ein wenig ausgemalt – positive Beispiele im Naturschutz beginnen immer mit Hoffnung und grenzen anfangs auch an Utopie:
Warum sollte nicht eine Wisent-Herde und eine Herde Wildpferde grasen im Ebersberger Wald? Eine aktuelle Übersichtsstudie zu Wisent und Elch (Blum et al. 2022) erkennt den Ebersberger Forst als zwar von natürlichen Wanderungen der Wisente weitab isoliertes, jedoch für die Etablierung einer „Reservoir-Population“ wohl geeignetes Waldgebiet. Der Wisent wäre eine große Bereicherung für ein Waldgebiet in einer ansonsten vom Menschen überprägten Metropolregion. Solche Wisentherden sind für die Erhaltung der Art durchaus von Bedeutung.
Weiterhin: Warum sollten nicht Schwarzstörche und Kraniche eines Tages brüten in gezielt und großzügig vernässten Bereichen des Ebersberger Forstes?
Warum sollten nicht Biber neue Lebensräume gestalten und Otter seine Wasserläufe nutzen?
Warum sollten nicht die staunenden, sich erholenden Menschen sehr wohl gleichzeitig – geschickt „besuchergelenkt“ – alle bisherigen Erholungseinrichtungen inmitten einer neu entstehenden Wildnis nutzen können?
Warum sollten diese Menschen nicht ein um ein Vielfaches intensiviertes Naturerlebnis genießen – im endgültig jagdberuhigten Bereich des Nationalparkes? Denn: Wildtiere tradieren schnell die sogenannte „Nationalparkvertrautheit“: Die Fluchtdistanzen werden klein, wo und wenn die Flinten schweigen.
Schließlich, um einschlägigen Befürchtungen um Jobs gleich entgegen zu treten:
Warum sollte die bisherige Forstverwaltung nicht auch hier – wie in anderen Beispielen – zur Nationalparkverwaltung werden? Diese Rolle stünde ihr besser als die von Ministerpräsident Söder (CSU) zugedachte Degradierung der Staatsförster zu Erfüllungsgehilfen der Windkraftindustrie!
Warum sollten die vielen umliegenden wertvollen Offenland-Flächen nicht einbezogen werden als „gemanagte“ Puffer- und Entwicklungszonen des werdenden und gedeihenden Nationalparks?
Liebe jung-GRÜNE Klima-Kids, liebe Alt-GRÜNE, verehrte Schwarze und Rote oder Gelbe Klimaretter – so: Mit der Rückkehr und der Toleranz der wilden Natur könnte der wirksame Beitrag zur Generationengerechtigkeit in einer durch weitere Verstädterung bedrohten oberbayerischen Umwelt aussehen…
Der Ebersberger Forst, entwickelt in einen Wald der Zukunft würde zum Sinnbild und Beispiel für GANZHEITLICHEN NATURSCHUTZ, für geschontes Leben. Siehe das Eingangszitat Hans Jonas auf der Startseite der Homepage.
Dies wäre die einzig ethisch und fachlich konsistente Antwort auf die Geldgier der Windkraft-Protagonisten:
Verbesserte Schutzgebiete statt Industrie in den Wäldern
Von Ländern der sogenannten dritten Welt fordern wir ständig solche Schritte!
Um eine solche Zukunft mit Schonung der Natur nicht zu verunmöglichen bedeutet dies als ersten Schritt, um es mit der Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst e.V. zu formulieren:
! Hände weg vom Ebersberger Forst !
Fazit und Ausblick – was wird aus dem Ebersberger Forst?
Nichts ist in Sachen Windkraft (und übrigens auch in Sachen Straßenbau) im Ebersberger Forst entschieden!! Der Rechtsstaatlichkeit muss gerade vor dem Hintergrund des rechtlich fragwürdigen „Bürgerentscheids“ und der öffentlich geförderten Pro-Windkraft-Kampagne genügt werden. Das heißt: eine ergebnisoffene Güterabwägung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist zwingend, so es dazu wirklich kommen sollte.
Hier zunächst die klare Ansage von Dr. Ludwig Seebauer, BI St2080 vom 16. Mai 2021:
Zum juristischen Gehalt des Konfliktes, insbesondere zu den naturschutzrechtlichen Vorgaben des höherrangigen und auch in Bayern anzuwendenden europäischen Artenschutzrechtes muss dringend ergänzt werden: der EuGH hat am 04.03.2021 eine wichtige Entscheidung gefällt, die alleine schon genügen müsste, das Vorhaben der Windkraftindustrie in einem so übergeordnet wertvollen Lebensraum wie dem Ebersberger Forst zum Scheitern zu bringen. Denn: Einen neuen Maßstab für den europäischen Naturschutz im Sinne einer Unterordnung unter den „Klimaschutz“ wird es nicht geben. Mit diesem Urteil vom 04.03.2021 hat der EuGH klar gemacht, dass das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nicht mit dem Erhaltungszustand einer Art oder dem Hinweis auf dessen Verschlechterung ausgehöhlt werden kann. Das gilt grundsätzlich für alle todbringenden Eingriffe und Aktivitäten des Menschen. Es wird also nichts mit der auch fachlich und ethisch nicht haltbaren oder zu rechtfertigenden Reduzierung von Schutzwürdigkeit auf „Populationsbezug“! Es gibt keine Lizenz zum Töten, keinen Freibrief für das Niedermachen von Lebensräumen und Lebensstätten – auch nicht im Namen der Energiewende und „Klimarettung“. Ich verweise hierzu auf meinen Beitrag in dieser Homepage, den ich auch im Buch zum Konflikt (s.o.) an den Schluss aufgenommen habe:
In meinem erwähnten Gastbeitrag für die ZMS zum Stand der Dinge:
(…) Es geht im tiefsten Wortsinn um Lebensraum. Es geht um Respekt. Es geht um das Tabu nicht gerechtfertigter und nicht verantwortbarer Zerstörung von Natur.“
Es geht um Ehrfurcht vor der Natur:
(…) Die Ehrfurcht allein, indem sie uns ein „Heiliges“, das heißt unter keinen Umständen zu Verletzendes enthüllt (…), wird uns auch davor schützen, um der Zukunft willen die Gegenwart zu schänden, jene um den Preis dieser kaufen zu wollen. (…) Ein degradiertes Erbe wird die Erben mit degradieren.
HANS JONAS (1979) in: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation – Seite 33 (426 Seiten. Insel Verlag, Frankfurt)
Die Adressen für weitere Informationen:
Landschaftsschutz Ebersberger Land e.V.; Vorsitzende Catrin Dietl, E-Mail: kontakt@lsel.de
Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst e.V.; Vorsitzende: Kerstin Mertens
E-Mail: info@schutzgemeinschaft-ebersberger-forst.de
Bürgerinitiative St 2080; Vorsitzender Dr. Ludwig Seebauer; E-Mail: info@2080-forstinning.de
Landesbund Vogelschutz LBV Ebersberg e.V.; Vorsitzender: Benedikt Sommer; E-Mail: kg-ebersberg@lbv.de
https://www.pro-wald.org/bedrohte-waelder/ebersberger-forst-bei-muenchen-auf-kollisionskurs
Bitte unterstützen Sie, liebe Leser, die hier vermittelten Vereine und Seiten, die sich um den Schutz des Waldes bemühen.