Das Bild zeigt einen Krabbenkutter vor der horizontverstellenden Windkraftkulisse der deutschen Nordseeküste. Foto: Eilert Voß. Solche Perspektiven auf die landschaftliche Entwertung der Küste durch die Windkraftindustrie findet man selten in der medialen Berichterstattung. Die TV-Kameras der Schönfärber werden meist seewärts gerichtet…
Besonders unglaubwürdig wird die Verketzerung der emotional begründbaren Kritik an der ästhetisch negativen Wirkung der Windkraftindustrialisierung, wenn die Verfechter der Windkraft ihrerseits mit Emotionen und „Schönheit“ argumentieren.
Zwei Beispiele seien in Anlehnung an Epple (2017) herausgegriffen. Zunächst:
„Wir malen uns die Windkraft schön
ein Kommentar zu „BEAUTIFUL POWER ; Farbdesign an Windkraftanlagen und visueller Landschaftsschutz
nach Entwurfsstudien von Friedrich Ernst v.Garnier„
von Wolfgang Epple, 2016
Es gibt bekanntlich nichts, was es nicht gibt. Im bayerischen Nordosten, zwischen Wunsiedel und Selb, zwischen Fichtelgebirge und Egerland wird nun das nächste dicke Ei der Weltverbesserung durch Windkraft ausgebrütet: https://beautifulpowerfarbdesign.wordpress.com/
Ein lokaler „Farbdesigner und Maler“, ein „EDV-Berater“, der „Servicestellenleiter Bayerische Staatsforsten in Selb und erste Vorsitzende der Bund Naturschutz Kreisgruppe Wunsiedel“ und ein „freiberuflicher Medienkünstler“ sind laut Homepage „beautiful power“.
Nach der Vorstellung dieser teilweise aus der „Künstlerkolonie Fichtelgebirge e.V.“ stammenden Besetzung soll die Windkraft-Beglückung der Landschaften zukünftig farbig getüncht und künstlerisch mit „der Landschaft in Einklang“ gebracht werden. Verheißungsvoll die Ankündigung der Windkraftfanatiker:
„Visueller Landschaftsschutz nach Friedrich Ernst von Garnier, bezieht sich auf die Farbigkeit der umgebenden Natur und stellt einen ausgewogenen Klang zwischen der Landschaft und dem technischen Bauwerk her. Das Ziel von „beautiful power“ ist die Erhöhung der Akzeptanz von Windenergie durch individuell gestaltete Windkraftanlagen und Windparks.(…) „beautiful power“ und visueller Landschaftsschutz nach Friedrich Ernst
von Garnier ist nicht nur Farbmaterial an der Oberfläche, sondern der emotionale Zugang für das deutlichste Wahrzeichen der Energiewende.“
Der auf der Homepage immerhin nicht bestrittene Windkraftindustrie-bedingte Verlust der Heimat soll neben dem von den Initiatoren selbstverständlich nicht hinterfragten angeblichen „Nutzen“ der windigen Stromerzeugung nun ästhetisch ausgeglichen werden. In einem Visualisierungs-Katalog kann man bereits auf der Startseite blättern, nachdem man gelesen hat: „(…)Windenergie, als bedeutendster Anteil der Energiewende, muss zum Wohle des Weltklimas und zur Vermeidung ressourcenbedingter Konflikte weiter ausgebaut werden(…)“
Niemanden wird verwundern, dass neben der Windkraft-affinen und/oder Windkraft-profitierenden Verwaltungselite der dortigen Landkreise und Städte und der BündnisGRÜNEN, neben Energiewende-Netzwerkern, Energie-Genossenschaftlern und Stadtwerke-Vertretern gerade auch wieder BUND-Chef Prof. Hubert Weiger als „Unterstützer“ in Erscheinung tritt. Der Servicestellenleiter Bayerische Staatsforsten in Selb und zugleich erste Vorsitzende Bund Naturschutz Kreisgruppe Wunsiedel postiert sich gleich ein zweites Mal als Unterstützer seiner eigenen Initiative…
Und wen wundert’s: Der Bayerische Rundfunk hat bereits einen sehr wohlwollenden Beitrag produziert: http://www.br.de/radio/bayern2/bayern/bayernchronik/windraeder-bayern- bunt-beautiful-power-100.html (Anmerkung WE Februar 2020: Der BR hat den Beitrag nicht mehr im Netz, aus gutem Grunde?)
„Windräder attraktiv machen…die Landschaft als Anlass einer Farbkomposition“ so und so ähnlich darf der Farbdesigner die nun farblich-künstlerische Weltverbesserung und Bereicherung der Landschaften durch über 200 Meter hohe Windkraftkolosse im Beitrag des BR ausmalen.
Der Kontrast: Das Magazin „Cicero“ widmet mit dem Titel „Flurschaden – Der Aufstand gegen die Windkraft“ seine Ausgabe Juni 2016 der Industrialisierung und Verschandelung ganzer Landstriche Deutschlands durch die Windkraft und deren dubioser Begleitumstände:
Die Kluft zwischen schmerzlichem Erkennen des Verlustes an Natur und Landschaft einerseits und kritikloser Befürwortung der Windkraft selbst in Vorzugslandschaften andererseits wird deutschlandweit immer tiefer. Ein Zitat von Botho Strauß sei den nordostbayerischen Windkraft-beschönigenden Farbutopien gegenüber gestellt, entnommen aus der Ankündigung im Magazin „Cicero“: „Eine brutalere Zerstörung der Landschaft, als sie mit Windkrafträdern zu spicken und zu verriegeln, hat zuvor keine Phase der Industrialisierung verursacht. Es ist die Auslöschung aller Dichterblicke der deutschen Literatur von Hölderlin bis Bobrowski“
Den Schönmalern aus dem Fichtelgebirge seien die Ihnen wohl bekannten Fragen nochmal öffentlich ins Gedächtnis gerufen: Ob den Mäusebussarden und Rotmilanen, den Adlern und Störchen eine verbaute Windkraftwelt in ihren Lebensräumen besser bekommen wird, wenn sie „künstlerisch“ gestaltet ist? Ob das Barotrauma, dem hunderttausende Fledermäuse jährlich in Deutschland an den Windkraftkolossen zum Opfer fallen, an kompositorisch im „Klang zwischen Landschaft und Bauwerk“ bunt angemalten Todesfallen weniger einschneidet? Ob Lärmbelästigung, Schattenwurf und Entwertung des eigenen Habitats für leidende Menschen weniger schwer wiegen unterm „visuellen Landschaftsschutz nach Garnier“? Am besten fragen wir die Naturschutz-Sachverständigen des Windkraft-Unterstützungs-Verbandes BUND – allen voran Hubert Weiger. Oder fragen wir die einschlägigen Experten unter den Unterstützern aus den Städten Selb und Wunsiedel, und des dortigen Landratsamtes.
Bayern – Du hast es schöner – wollte man kürzlich hoffen, als der Verfassungsgerichtshof die 10- H-Regelung der Abstände von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung für den Freistaat bestätigte.
Bayern – Du hast es mancherorts noch am schönsten – empfand ich kürzlich bei einer Fahrt durch den Bayerischen Wald bis hinüber zum grenzbildenden Böhmerwald: Noch immer ungestörte Waldhorizonte „so weit das Auge reicht“. Wald-Mittelgebirge, noch nicht beleidigt und verhunzt durch die Inbesitznahme der Windkraft-Klimaschutzindustrie. Welch eine Jahrhundert-Chance bestünde dort, in jenen östlichsten Landen des Freistaates durch ein wenigstens regionales Windkraft-Moratorium: Der Bayerwald/Böhmerwald: Die einzige weitgehend Windkraft-verschonte Großlandschaft Mitteleuropas. In Zukunft wäre Freiheit von Windkraft das vermutlich herausragende Alleinstellungsmerkmal einer in jeder Hinsicht für Natur und Mensch einzigartig wertvollen Region.
Der künstlerische Blick auf unsere Welt ist immer ein zutiefst menschlicher, weil individueller und emotionaler. Dieser Blick darf und soll frei sein, weil Ästhetik grundsätzlich aus der Innenseite des menschlichen Kosmos gespeist und daher Ansichtssache ist. Wenn sich allerdings „politisch korrekt“ indoktrinierte vermeintliche Weltrettung durch einen subventionsbedingt boomenden Industriekomplex und künstlerische Freiheit in einer solch eindeutigen Weise wie bei „beautiful power“ zielgerichtet mischen, um einer Landschaftszerstörung von historischer Dimension den Weg zu bereiten, wenn ein so eindeutig industrieller und vielfach mit Gewalt gegen Mensch und Natur verbundener Zweck durch künstlerische Mittel geheilt werden soll, steht das Gespenst des Missbrauchs der Schönen unter den drei Säulen des Menschseins auf.
Monströse Mahnmale der (nicht nur energetischen) Unersättlichkeit der Menschheit und der durch sie weiter ausgelösten, fortschreitenden Naturzerstörung, Wegzeichen eines Irrglaubens, die Natur sei durch ihren technischen Umbau zu retten: Das sind die Windkraftanlagen, die nun bereits das Gesicht ganzer Regionen entstellen. Sie in die letzten verbliebenen Landschaften hineinzubetonieren bleibt auch dann Versündigung an unserem Natur- und Kultur-Erbe, wenn eine „Künstler“gruppe antritt, sie sich und anderen schön zu malen.“
Soweit dieser Kommentar aus 2016. „Beautiful Power“ wirbt weiter im weltweiten Netz der unbegrenzten Schönfärbe-Möglichkeiten…
Landauf landab mischen auch die Amtskirchen mit bei der Entwertung ganzer Landstriche durch die Windkraftindustrie im Namen des „Klimaschutzes“. Nicht nur, dass kirchlicher Grundbesitz für naturvernichtende Windkraftindustrie herhält. Auch in diesen Kreisen wird Ästhetik überstrapaziert. Dies erhellt das zweite Beispiel:
Die Publikation eines „Arbeitskreises Ästhetische Energielandschaften im Netzwerk Baukultur Niedersachsen“
Schon die Vorworte zum im März 2016 erschienenen pdf-Dokument „Baukultur für Energielandschaften“ sprechen Bände über die Schwäche einer Anbiederung bei den Mächtigen der Windkraft, und ebenso über die reale Hilflosigkeit gegen die übermächtige landschaftsästhetische Nivellierungs- und Entwertungsmaschinerie der Windkraftindustrie. Sie sind Beispiele eines „An-den-Haaren-Herbeiziehens“ fragwürdiger Verschönerungsstrategien für Windindustrie. Eine Kostprobe:
Aus dem Vorwort des Dr. phil. W. Theilemann, Ev. Akademie Braunschweig: „Was treibt die Evangelische Akademie an, sich mit Baukultur, mit ästhetischer Gestaltung von Windenergiegebieten zu befassen? (…)das Anliegen der Akademie: Im Rahmen der Energiewende sind Windkraftanlagen unabdingbar. Zu „Windfarmen“ verbunden werden sie zu einer Dominanz im Landschaftsbild. Unmittelbar verstanden sind sie reine Zweckbauten, die aber mit „dichterischer“ Qualität in den menschlichen Wohn- und Lebensraum „eingefügt“ sein wollen. Dazu gehören durch konkrete Landschaften angeregte Phantasie, Intuition für Gestalt und Form, Sinn für Ästhetik. Deshalb sind Entwürfe für ästhetisch gestaltete Energielandschaften nötig.(…)“
Die Liste der Versuche, im Zuge des brachialen Eindringens der Windkraftindustrie in Natur- und Kulturlandschaften speziell in Deutschland das Schönheitsargument des ganzheitlichen Naturschutzes zu relativieren, verächtlich zu machen oder ad absurdum zu führen, könnte beliebig verlängert werden (siehe in Epple 2017)…
Dies eint diese Windkraft-Ästheten:
Schönschreiben und Schönmalen – naiv und kritiklos
Bei allen Versuchen, Windkraft schön zu schreiben oder zu designen, wird deren angeblicher Nutzen für „Klimaschutz“ diffus gleich- und vorausgesetzt. Die durch Windkraft nicht zu gewährleistende Versorgungssicherheit – also die Sinnhaftigkeit eines weiteren Zubaus, wird ebenso nicht hinterfragt.
Das Beitragsbild von der Küste ist die dringend mahnende Antwort aus der Wirklichkeit…
Geduld, auch dieser Beitrag wird weiter ergänzt…