Das Beitragsbild zeigt einen genutzten, naturnahen Privatwald im Vorderen Bayerischen Wald. Foto: Wolfgang Epple
Am Besten hat’s die Forstpartie — der Wald, der wächst auch ohne sie…
In dieser leicht ironischen Volksweisheit steckt viel vom breiten Themenspektrum, das im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Forstwirtschaft angesiedelt ist. Es ist das Spannungsfeld von Schutz und Nutzung der Natur.
Viele der „Forsten“, in denen Holznutzung im weitesten Sinne im Vordergrund steht, verdienen nicht die Bezeichnung Wald. Sie sind eher Holzäcker, bestanden mit einer bevorzugten, oft noch standortunangepassten „Brotbaumart“, die in zu kurzen Umtriebszeiten geerntet wird. In Deutschland ist es die Fichte, die den „Brotbaum“ stellt, im Flachland des Nordostens oft auch die Waldkiefer.
An der Art der Nutzung der Wälder entscheidet sich, wie nahe unsere Gesellschaft einem ganzheitlichen Ansatz für den Naturschutz in den Wäldern kommt. Die Behandlung der Wälder ist von entscheidender Bedeutung für den Schutz der natürlichen Ressourcen Luft, Wasser, Boden und Biodiversität. Neben den Belangen der Holznutzung sind also alle Wohlfahrtsfunktionen des Waldes beinhaltet; die wichtigste vorneweg:
- Lebensraum für eine schier unermessliche Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren: Von den Pilzen, deren Geflecht für das Gedeihen des Waldes grundlegend ist, von Moosen und Farnen bis zu den Sträuchern und Bäumen, von Wirbellosen (Spinnentiere, Insekten) über Amphibien und Reptilien bis zu den Vögeln und Säugetieren: Der Wald lebt in kaum überschaubaren und durchschaubaren Netzen gegenseitiger Abhängigkeiten der verschiedensten Lebensformen.
- Erholungsraum nicht nur für Großstadt- Menschen,
- Luftreinhaltung, Frischluftanreicherung, Schutz des Bodens und Schutz der Trinkwasser-Reserven
- Klimafunktion: Lokale und regionale Wirkung durch Kühlung und Ausgleich von Temperatur-Extremen (Stichwort: Waldinnenklima); regionale Auswirkung auf Wolkenbildung (Verdunstung, Albedo) und Regenwahrscheinlichkeiten; Funktion als CO2-Senke; die Klima-Effekte werden unten vertieft betrachtet; speziell der Gesichtspunkt des eher naturschutzfeindlichen CO2-Reduktionismus der gegenwärtigen Diskussion sei herausgehoben.
Alle Waldbesitzer sollten diesen Wohlfahrtsfunktionen des Waldes verpflichtet sein: Der Staat, die Kirchen, die Kommunen und Privatwaldbesitzer, die Waldbauern.
Die Realität des Waldes in Mitteleuropa ist vielerorts von diesen Gemeinwohl-Verpflichtungen und auch von gesicherten Erkenntnissen zur Stabilität der Waldökosysteme entfernt: Noch immer dominieren Monokulturen, eine dichte und immer weitere Erschließung mit Forststraßen belastet Boden und Ökosystem, bei sogenannten „Rückegassen“ gibt es teilweise eine regelrechte Übererschliessung, wenn diese im Abstand von nur 50 Metern unterhalten werden. Bis in die jüngste Vergangenheit fand noch der Umbau des ehemals vielstufigen Naturwaldes in „Altersklassenwald“ statt, mit Entmischung oder Zurückdrängen der natürlich vorkommenden Baumarten. Ganz allgemein: Intensivierung der Nutzung macht der Wald-Lebensgemeinschaft zu schaffen.
In vielfacher Weise kollidieren allgemein verbreitete Praktiken der intensiven Forstwirtschaft mit dem Naturschutz und den höherrangigen rechtlichen Vorgaben zum Artenschutz in den Naturschutzrichtlinien der Europäischen Gemeinschaften.
Eine sehr dezidierte Aufarbeitung der Realität des Naturschutzes im Wald am Beispiel des Schutzes der Fledermäuse in Rheinland-Pfalz bietet die bei der Bundesbürgerinitiative Waldschutz publizierte Abhandlung von Guido Pfalzer: Wird Forstwirtschaft in Deutschland illegal betrieben?
Auch die Erschließung und „Möblierung“ des Waldes für die nicht mehr stille Erholung durch den Menschen macht gerade in Deutschland Probleme, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Pflanzen und Tiere des Waldes: Mountainbike-Parcours, Motocross-Strecken, Wanderwege bis in die letzten Rückzugsorte der Wildtiere… Das auch noch durch Baumaßnahmen geförderte Eindringen des Menschen sollte stets gut abgewogen werden. In den meisten Fällen sprechen gute Naturschutzargumente gegen weitere Erschließung und „Nutzung“ des Waldes, die über die stille Erholung hinausgehen.
Letzte Primärwälder weltweit, und auch in Europa unter Druck
Die Primärwälder, die heute noch auf der Erde zu finden sind, verdienen besondere Beachtung und besonderen Schutz. Nicht nur die tropischen Primärwälder fallen weiterhin dem Raubbau durch den Menschen zum Opfer; ein Brennpunkt ist seit Jahren British Columbia/Canada. Es handelt sich um einen längst bekannten beklemmenden und für jeden Interessierten zugänglichen Skandal:
Auch in Europa werden zur Zeit wertvollste Naturwälder mit noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbarer Rücksichtslosigkeit und krimineller Energie geplündert. Dies selbst in ausgewiesenen Nationalparks. Brennpunkt sind die rumänischen Karpaten, die die letzten großen Urwälder beherbergen…
Und in Deutschland?….Was sind unsere Wälder „wert“?:
„Waldschutz“ in Deutschland = Waldvernichtung für den vorgeblichen „Klimaschutz“:
Konkret: Die Opferung wertvoller Wälder für die Windkraft
Deutschland ist das Gegenteil eines Musterlandes, wenn es um den Schutz des Waldes geht. Nicht nur die Naturferne der meisten Wirtschaftswälder ist zu nennen.
Im Musterland des „Klimaschutzes“ werden selbst wertvollste Wälder der Windkraftindustrie ausgeliefert. Negativ-Beispiel für den brachialen Durchmarsch ist der Odenwald, wobei praktisch alle Wälder der Mittelgebirge im Visier der Begehrlichkeiten der Windkraftindustrie sind.
Ein von der Öffentlichkeit viel zu wenig beachteter Skandal ist die Auslieferung der den Bürgern gehörenden Staatswälder an die Windkraftindustrie. Beispiel ist die ForstBW, der Baden-Württembergische Staatswald, der unter GRÜNER Herrschaft der Industrialisierung durch Windkraft geopfert werden soll; Originalton Forst BW: „Im Rahmen der Energiewende verfolgt die Landesregierung das Ziel, bis zum Jahr 2020 mindestens 10 Prozent des Stroms im Land aus heimischer Windkraft bereit zu stellen. Umgerechnet auf die durchschnittliche Anlagengröße bedeutet dies den Zubau von rd. 1.200 Anlagen. Durch die Verpachtung geeigneter landeseigener Waldflächen unterstützt ForstBW diesen Ausbau der Windenergie.“ Den Skandal habe ich bereits 2017 in der ersten Auflage meiner Denkschrift zu Windkraft und Naturschutz aufgearbeitet (Epple (2017)).
Die Staatswälder werden im Auftrag des Volkes und für das Volk verwaltet. Sie müssten daher im besten Sinne für das Gemeinwohl gepflegt werden. Nirgends ist ersichtlich, dass dieser Auftrag via vergänglicher und vorübergehender parteigebundener GRÜNER, CDU/CSU- oder SPD-Staatsmacht die Vernichtung und Verhökern der Wälder im Zuge der zerstörerischen Invasion der Windkraftindustrie beinhaltet. Die Ankündigung der Forst-BW von „nur“ 1.200 WEA ist längst überholt, inzwischen geht man von bis zu 20000 WEA-Standorten in Baden-Württemberg aus. Ich widme aus aktuellem Anlass im Wahljahr 2021 der politisch motivierten Windkraft-Auslieferung und damit Veruntreuung der Staatswälder für vorgeblichen „Klimaschutz“ einen eigenen Beitrag. Auf den kenntnisreichen Gastbeitrag von Hermann-Josef Rapp in dieser Homepage, der das konkrete Beispiel der Bedrohung des Reinhardswaldes in Nordhessen durch Windkraft aufgreift, möchte ich besonders hinweisen. Sehr aktuell und von bemerkenswerten Umständen begleitet ist der Konflikt um die drohende Invasion der Windkraftindustrie in den Ebersberger Forst östlich von München – mein Beitrag hierzu liefert einen Denkanstoß für eine Vision. Auch in diesen beiden Fällen geht es um die Auslieferung von Staatswald an die Windkraftindustrie.
Wald und Klima: die lokalen und regionalen Positiv-Wirkungen geschlossener und nicht übernutzter Wälder
Hier kann nur kursorisch aufgeführt werden, was sich durch weltweit gewonnene Erkenntnisse zu erdrückender Beweislast summiert: Wälder haben in vielfältiger Weise positive Auswirkungen auf das lokale und regionale und in Summierung auch auf das Weltklima:
- Transpiration und Verdunstung von Wasser (Wolkenbildung!) sowie die Beschattung durch ein geschlossenes Kronendach wirken wie eine Kühlung. Jeder kennt das kühle Waldinnenklima aus eigener Erfahrung. Eine aktuelle Studie aus Norddeutschland weist nach, wie schädlich sich die Auflichtung der Kronendächer durch die „ordnungsgemäße“ Forstwirtschaft auswirkt: Es kommt zur zusätzlichen Erwärmung. Gerade in extremen Hitzesommern wirkt sich das als Verstärker für die Klimaerwärmung aus. Die Studie weist auch den höheren Kühlungs-Effekt der Laubwälder verglichen mit Nadelwäldern nach und gibt einen Hinweis, dass die ständig medienwirksam beklagten „Schäden durch Klimawandel“ teilweise durch die Forstwirtschaft hausgemacht sind. Die große Holzentnahme der intensiven Forstwirtschaft führt zu aufgelichteten Kronendächern, in der Folge zu stark erhöhten Temperaturen auch im Waldinnern, und damit zur Verschärfung der Hitzeschäden. Zitat aus der begleitenden Pressemitteilung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde: “ Projektleiter Prof. Dr. Pierre Ibisch fasst zusammen: „Die Schlussfolgerung ist, dass Waldbewirtschafter*innen es also im Klimawandel ein Stück weit in der Hand haben, wie stark sich die ihnen anvertrauten Wälder aufheizen und dadurch potenziell geschädigt werden. Höhere Biomassevorräte und ein geschlossenes Kronendach sind eine Versicherung gegen extreme Witterungen“. Weiter heißt es dort: „In der veröffentlichten Studie werden auch bislang häufig ausgesprochene waldbauliche Empfehlungen zur stärkeren Durchforstung von Wäldern kritisch diskutiert und in Zweifel gezogen. Wasserverluste und das Risiko von Hitzeschäden wachsen durch stärkere Durchforstung an. Die Autor*innen empfehlen, das Kronendach möglichst geschlossen zu halten (mindestens zu 80 %) und die Wälder entsprechend behutsam zu nutzen. Außerdem bestätigen sie die bekannte Forderung, die einfach strukturierten Nadelbaummonokulturen möglichst rasch in strukturreiche Laubmischwälder zu entwickeln. Waldbewirtschafter*innen sollten ihrer herausragenden Verantwortung für das Landschafts-Temperaturmanagement im Klimawandel gerecht werden.“
- Vor der inzwischen im Vordergrund diskutierten Rolle des CO2 wurde in der Wissenschaftsöffentlichkeit die weltweit abnehmende Verdunstungskälte im Zusammenhang mit Vegetation- und Waldzerstörung, Versiegelung und Landnutzungswandel sehr wohl und ausführlich öffentlich diskutiert, so z.B. auf einer Konferenz im Jahre 2009 in Kosice/Slowakei: Der „Informationsdienst Wissenschaft (idw)“ titelte damals eine Pressemitteilung der TU Berlin mit: TU Berlin: Klimakiller Abholzung, Verwüstung und Urbanisierung…Weiter hieß es dort: „Wissenschaftler sehen in der Vernichtung von Vegetationsflächen einen Hauptfaktor für die Erderwärmung. Jeden Tag werden weltweit 350 Quadratkilometer Wald vernichtet, 150 Quadratkilometer gehen durch Urbanisierung verloren. Die Wüstenbildung schreitet täglich mit 300 Quadratkilometern voran. Diese 800 Quadratkilometer entsprechen in etwa der Fläche Berlins.(…) Wenn aber Flächen übernutzt, entwässert oder versiegelt und Wälder abgeholzt würden, also Vegetation verschwinde, könne kein Wasser mehr verdunsten und die Kühlung setze aus. Die Sonnenstrahlung werde nicht mehr wie zum Beispiel im Wald zu 80 Prozent in Verdunstungskälte umgewandelt, sondern in fühlbare – oder wie die Wissenschaftler sagen – in sensible Wärme. Die fehlende Verdunstung und die trockenen, überhitzten Flächen führen wiederum zu weniger Niederschlägen, wodurch der klimatische Effekt mehrfach verstärkt wird.“
- Dass die genannten Effekte speziell intakter Wälder sich auf Wolkenbildung (damit das Albedo, das Rückstrahlvermögen der Erdobefläche) und auf die (lokale und regionale) Verteilung oder das Ausbleiben von Regen auswirken, und damit Klima-stabilisierend sind, liegt damit insgesamt auf der Hand. Eine Studie in nature aus dem Jahr 2020 (Staal, A. et al.) bestätigt die komplexem Zusammenhänge und möglicherweise verhängnisvolle Entwicklungen am Beispiel der Regenwälder Amazoniens, Australasiens und des Kongos.
Bis hinein in die Tagespresse haben die vielfältigen Erkenntnisse zu den Positiv-Wirkungen der Wälder gefunden, und ich möchte daher ausdrücklich einen Artikel der TAZ erwähnen und meinen Lesern empfehlen.
Naturwald oder Wirtschaftswald – vom Unheil der Diskurs-Reduktion auf CO2
Im Rahmen der Alarmstimmung um CO2 und Klimawandel gerät die Funktion des Waldes als Kohlenstoffspeicher, also als CO2-Senke, in den Blickpunkt. Selbst gutgemeinte Ansätze innerhalb der Diskussion um den Schutz der deutschen Wälder münden dabei in abstruse und naturschutzfeindliche Schlussfolgerungen, mit dem Ergebnis, dass sich selbst überlassene Bannwälder und/oder Urwaldrelikte wegen geringerer CO2-Speicherung gegenüber Wirtschaftswäldern als „unterlassener Klimaschutz“ (!) in Rechnung gestellt werden. In der hier zitierten von der CDU-Landtagsfraktion in Thüringen mit guter Absicht herausgegebenen Broschüre wird Folgendes errechnet; wörtliches Zitat:
„Da die mittleren Vorräte im Wirtschaftswald und in Waldnaturschutzgebieten ähnlich sind, sehen wir keine besondere klimawirksame Leistung einer Stilllegung. Eher führt Stilllegung zu einer Absenkung der Zuwächse und es fehlt der Substitutionseffekt. Das bedeutet, das Waldnaturschutzgebiet müsste mit einer unterlassenen Klimavermeidung von 1.988 kg CO2 ha-1 Jahr -1 belastet werden. Dies sind die volkswirtschaftlichen Kosten und die Klimakosten des Naturschutzes.“ (GÖRNER, M., SCHULZE, E.-D. & H. WITTICKE (2019): Klima und Wald. – Erfurt. Seite 28/29; Verfasser des speziellen Beitrages: Prof. Dr. Ernst-Detlev Schulze, Pflanzenökologe und ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena).
Dass im Übrigen auch Alterswälder („Old-growth forests“) CO2-Senken sind, steht wissenschaftlich außer Zweifel:
So wird auch am 22. Juni 2021 für den Beitrag der Wälder zu CO2-„Ersparnissen“ im Rahmen der Änderungen des deutschen Klimaschutzgesetzes vom „Wissenschaftlichen Beirat Waldpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ in dieser Art und Weise kontraproduktiv und allzu durchsichtig argumentiert, wenn es um Nutzungseinschränkungen in den deutschen Wäldern zum vorgeblichen „Klimaschutz“ geht.
Der CO2-Reduktionismus der Klima-Aktivisten, verantwortet durch Klima-Forschungseinrichtungen (siehe hier zu einem der Urheber, Stefan Rahmstorf) hat mittlerweile fatale Folgen: Die Übernahme der kritikwürdigen CO2-Engführung des öffentlichen Diskurses durch das BVerG-Urteil vom 24. März 2021 schlägt in diesen für den Erhalt der Vielfalt des Lebens so entscheidenden und gleichzeitig äußerst komplexen Themen eines umfassenden Schutzes der Wälder voll gegen den ganzheitlichen Ansatz des Naturschutzes durch.
Auch beim Schutz der Wälder kannibalisiert somit der „Klimaschutz“ gewissermaßen den Naturschutz. Obwohl allen Beteiligten klar, gerät dies aus vor allem den Nutzern und vielen Klima-Aktivisten dem Blickfeld:
Wälder sind mehr als Holzlieferanten und nicht auf die Funktion als CO2-Senken reduzierbar.
Die erkennbare Absicht in Nutzung-orientierten Kreisen, die CO2-Bilanz als Argument gegen Waldschutzgebiete zu verwenden, in denen die Entnahme von Holz eingestellt ist oder von vorne herein nicht stattfindet, ist einer der Auswüchse der reduktionistischen CO2-/Klimadiskussion. Daraus folgt:…
…Biodiversität und Waldbewirtschaftung – die Abwertung von Urwäldern und Waldschutzgebieten ist fachlich nicht haltbar
In einem Artikel des Naturschutz Magazin Ausgabe 01/2020 setzt sich Dr. Martin Flade, ausgewiesener Fachmann, mit der Kontroverse um den Wert alter Buchenwälder für die Biodiversität auseinander:
Der Faktor Zeit ist entscheidend für die Frage der Biodiversität der Buchenwälder. Es ist keine Frage: Herausnahme aus der Nutzung und der Schutz der letzten Buchenurwälder sind äußerst wertvolle Beiträge im Sinne des ganzheitlichen Naturschutzes. Denn erst nach Jahrzehnten verändert sich die Vielfalt vorher hallenartiger, aus der Nutzung genommener Buchenwälder auch hinsichtlich der Strukturen. Durch Zusammenbrechen sehr alter Bäume (Sturm- und Unwetterereignisse, natürlicher Tod von Baumriesen) gibt es Lücken im geschlossenen Bestand. Das ist der Ansatz für beginnende und steigende Vielfalt.
Was in unserer heutigen Gesellschaft fehlt, ist Geduld und das Verständnis für die sehr langen Zeiträume, in denen sich Wälder entwickeln und verändern. M. Flade wörtlich: „Buchenurwälder und sehr naturnahe, seit über 100 Jahren unbewirtschaftete Buchenwälder weisen eine mehrfach so hohe Strukturvielfalt und Biodiversität auf wie Buchenwirtschaftswälder. Es bedarf jedoch vieler Jahrzehnte Wirtschaftsruhe, bis die waldtypische Biodiversität zur vollen Entfaltung kommt.“
Mangelware: Bannwälder als Totalreservate
In den beförsterten und genutzten Wäldern können die natürlichen Waldzyklen, das Werden und Vergehen in sehr langen Zeiträumen, nicht mehr ungestört und vollständig stattfinden. Die „Umtriebszeiten“ sind zu kurz, d.h. die Bäume werden in gemessen an der natürlichen Lebenserwartung viel zu jungem Stadium „geerntet“, und die Baumarten-Zusammensetzung entspricht nicht den natürlich vorkommenden Arten – Beispiel: Anbau der Fichte als Monokultur in vielen auf Dauer ungeeigneten Standorten Mitteleuropas.
Artenvielfalt und Klimaschutzfunktion der Wälder ergänzen sich – wichtige Forschungsergebnisse
In den letzten Jahren wird weltweit geforscht am Zusammenhang zwischen Stabilität der Waldökosysteme, die sich sowohl ökologisch in Artenvielfalt, als auch ökonomisch im Wachstum der Bäume und damit der Produktivität der Wälder niederschlägt. Einige bedeutsame Tendenzen in den neueren Erkenntnissen, veröffentlicht in führenden Wissenschaftsmagazinen der Welt, seien herausgegriffen:
Mehr Baumarten in Nachbarschaft zueinander fördern das Wachstum der verschiedenen Arten (und damit auch den Zuwachs an Holzvorrat: englisch: Biodiversity-Productivity-Relationships BPRs). Die Forscher konnten zeigen, dass nicht nur Konkurrenz, sondern auch gegenseitige Förderung das Verhältnis verschiedener Baumarten im Wald kennzeichnet.
Aus der begleitenden Pressemitteilung der TU Dresden vom 21.03.2018: „„Die Erkenntnisse dieser Forschungsarbeiten erhellen nicht nur unsere Vorstellungen über das Zusammenwirken der Bäume beim Wuchs und das Funktionieren von Waldökosystemen, sondern haben zudem eine kaum zu überschätzende naturschutzfachliche und forstliche Relevanz“, sagt Prof. Dr. Goddert von Oheimb von der Fachrichtung Forstwissenschaften der TU Dresden. So können zum Beispiel Aufforstungsprogramme in Ländern, welche die vielfach dramatischen Auswirkungen früherer Waldrodungen abmildern wollen, dann deutlich verbesserte Wohlfahrtswirkungen erzielen, wenn sie anstelle von üblichen Monokulturen artenreiche Mischungen auf kleinräumiger Ebene aus heimischen Baumarten verwenden. Zudem zeigen die Befunde, wie wichtig heute ein langfristig wirksamer Schutz der globalen Biodiversität ist: Diese stützt in vielfältiger Weise nicht nur die Funktionstüchtigkeit von Ökosystemen, sondern auch die vom Menschen genutzten Ökosystem-Dienstleistungen. „Dies sollte uns klar machen, dass Biodiversitätsschutz keineswegs ein rein ökologisches oder ethisches Anliegen ist, sondern längst zu einer sozio-ökonomischen Notwendigkeit geworden ist“, so Dr. Andreas Fichtner.
Die daraus folgende zu erwartende Tendenz bestätigt eine zweite Publikation: Artenreiche Wälder sind „produktiver“ und speichern mehr CO2 (annähernd doppelt so viel) als Forst-Monokulturen. Biodiversität und Klimafunktion sind sozusagen eine Win-Win-Situation. Die in China gewonnenen Erkenntnisse lassen sich wohl auf viele Waldökosysteme der Erde übertragen. Insbesondere für Wiederaufforstungen sollte zukünftig die Pflanzung von Monokulturen unterlassen werden. Auch die Wohlfahrtsfunktion des Waldes ist mit artenreichem Wald besser erfüllt.
Aus der begleitenden Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle Jena Leipzig vom 5.10.2018: „„Diese Ergebnisse haben grosse ökologische und ökonomische Bedeutung“, unterstreicht Prof. Bernhard Schmid von der Universität Zürich, der Letztautor im über 60-köpfigen Autorenteam der aktuellen Publikation in SCIENCE.(…)Weltweit gibt es Pläne für große Wiederaufforstungsprogramme, um mit neuen Wäldern Klimaschutz zu betreiben. Allein in China wurden zwischen 2010 und 2015 pro Jahr 1,5 Millionen Hektar Wald neu angepflanzt – allerdings hauptsächlich mit schnell wachsenden Monokulturen. „Mit einer Mischung aus einheimischen Baumarten ist es möglich, eine höhere Produktivität zu erreichen, womit sich auch das Klima besser schützen lässt“, gibt Helge Bruelheide zu bedenken. „Artenreiche Wälder sind auch weniger empfindlich gegenüber Krankheiten oder extremen Wettereignissen, die durch den Klimawandel immer häufiger werden. Und sie sind ein Beitrag zum Erhalt der weltweit bedrohten biologischen Vielfalt.“ Zudem mache es sich auch wirtschaftlich bezahlt, bei Aufforstungen Mischkulturen zu verwenden, so die Studienautoren: Rechnet man die im Experiment beobachteten Effekte auf die weltweit vorhandenen Wälder hoch, ergibt sich, dass ein Rückgang der Baumarten um zehn Prozent zu Produktionsverlusten von 20 Milliarden US-Dollar weltweit pro Jahr führen würde.“
Eine alte Weisheit wurde jüngst in umfangreichen Messungen bestätigt: Eine dichtes Kronenwerk hat positive Auswirkungen auf das Mikroklima der Wälder. Im Wald bleibt es kühler. Blätter- oder Kronenverlust bedeutet drastische Erwärmung im vorher kühlen Mikroklima, insbesondere am Boden. Auf solch rasche Veränderungen sind Waldarten weniger gut vorbereitet als Arten des Offenlandes.
Aus einer begleitenden Pressemitteilung der Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 14.05.2020: „(…)ein Verlust der schützenden Baumkronen – etwa durch Schädlingsbefall, Sommertrockenheit oder durch die Forstbewirtschaftung – eine zusätzliche, drastische Erwärmung für die darunter wachsenden Pflanzen nach sich ziehen würde, auf die sie schlecht vorbereitet sind. Plötzlich läge ihr bisher kühler, schattiger und meist auch luftfeuchterer Standort viel öfter und länger in der brütenden Hitze. Gleichzeitig trocknet der Boden aus. Viele Arten könnten sich nicht schnell genug anpassen, würden von wärmeliebenden Arten verdrängt und möglicherweise lokal aussterben. Angesichts der zu erwartenden Zunahme von sommerlichen Hitzewellen und Dürreperioden in Europa dürfte dies die Waldbiodiversität verändern, aber auch zu Schwierigkeiten bei der Verjüngung vieler Baumarten führen. „Eine zu starke Auflichtung des Kronendaches sollte – wo immer es möglich ist – vermieden werden“, sagt der Jenaer Ökologe. Vielmehr sollten Waldbewirtschafter die Auswirkungen von Forsteingriffen auf die Klimabedingungen im Waldesinnern und deren Einfluss auf das gesamte Ökosystem berücksichtigen.“
Große Teile der monotonen Forste Deutschlands könnten nach den Käferkalamitäten, die durch standortfremde Monokulturen erst befördert werden, nun behutsam und mit der für den Wald angemessenen Geduld in artenreiche und stabile Mischwälder umgebaut werden. Auf den durch Sturm oder Käfer entstehenden Blößen in den Forsten könnten Laubbäume gefördert werden, die unter anderem auch zur Klima-Stabilität des neu entstehenden Waldes beitragen. Buchen, Ahorne, Linden, Eichen, Eschen, Hainbuchen, Wildkirschen, auch seltener Arten wir Elsbeeren, in warmen Gegenden Esskastanien… Nicht zu vergessen: die rasch wachsenden Arten der frühen Waldentwicklungsstadien auf Blößen: Birken, Espen, Vogelbeeren, Weiden…Das alles gehört zum Wald, und ist aus den meisten wirtschaftlich genutzten Forsten verdrängt. Die Schößlinge und Triebe der Laubbäume, ihre Blüten und Früchte sind zudem Nahrung für die als Waldschädlinge verschrieenen Wildtiere…von den Insekten über Kleinsäuger bis zu den großen Pflanzenfressern.
Eine aktuelle Übersichts-Literatur-Studie in „Science“ (McDowell et al. 2020) unterstreicht die Komplexität des Wald-Naturschutz-Klima-Themas eindrucksvoll: Wetter- und Klima-bedingter Stress mit Folgen (Dürren, Windbruch, Insekten) in Verbindung mit dem weltweiten Holzeinschlag (Stichwort: kurze Umtriebszeiten, Kahlschläge und Primärwaldplünderung bzw.-vernichtung) und Landnutzungswandel (siehe hier) führen zur globalen Tendenz, dass immer jüngere Stadien der Waldentwicklung vorherrschen: Die Bäume der Wälder sind im Schnitt immer jünger und kleiner. In den Folgestadien des Zusammenbruchs wachsen andere Wälder nach mit voraussichtlich kürzeren Lebens-Zyklen. Die Positiv-Effekte des erhöhten CO2-Gehaltes der Atmosphäre auf das Wachstum von Bäumen werden nach diesen Erkenntnissen insgesamt wieder durch die genannten negativen Aspekte insbesondere in den Alterswäldern gedämpft, sodass insgesamt aus diesem Antagonismus eine Einschränkung der CO2-Senkenfunktion und anderer Wohlfahrtsfunktionen der Wälder der Erde resultiert…Im Abstract des Artikels klingt dies wie eine Warnung an (Übersetzt aus dem Original):
„(…) Es gibt weit verbreitete Beobachtungen zur zunehmenden Baumsterblichkeit aufgrund von Klima- und Landnutzungsänderungen sowie Beobachtungen zur Wachstumsstimulation jüngerer Wälder aufgrund der CO2-Düngung. Diese antagonistischen Prozesse treten weltweit gleichzeitig auf und lassen das Schicksal zukünftiger Wälder ungewiss (…)“
Abholzung und Fragmentierung der Wälder in den Tropen: Dringendes Problem für die Biodiversität mit fatalen Auswirkungen auf Klima
Eine neue Übersichtsstudie in Science (R. Fischer et al.(2021): Accelerated forest fragmentation leads to critical increase in tropical forest edge area. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.abg7012) zeigt, wie dramatisch sich die Waldvernichtung in den Tropengebieten der Erde fortsetzt, und welche negativen Auswirkungen dies auf die Funktion der Wälder als CO2-Senke hat. Eine begleitende Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung vom 08. September 2021 sei zitiert: „Die Abholzung der tropischen Regenwälder schreitet unaufhaltsam voran und damit die Fragmentierung dieser Wälder. Das zeigt die jüngste Auswertung von Satellitendaten durch UFZ-Wissenschaftler:innen. Der Anstieg der Fragmentierung auf fast ein Drittel der Waldfläche hat Folgen für den globalen Kohlenstoffkreislauf, schreiben sie in Science Advances: Durch eine erhöhte Baumsterblichkeit werden an den Waldrändern große Mengen an Kohlenstoff freigesetzt. Modellsimulationen zeigen zudem, dass diese Emissionen in Zukunft zunehmen könnten. Nur durch weniger Abholzung kann der Prozess gebremst werden.“
Im Abstract und in der Diskussion der Originalpublikation beschreiben die Autoren das Alarmierende (übersetzt aus dem Original) mit zusätzlichen Quellenverweisen:
Aus Abstract:
We found that forest edge area increased from 27 to 31% of the total forest area in just 10 years, with the largest increase in Africa. The number of forest fragments increased by 20 million with consequences for connectivity of tropical landscapes. Simulations suggest that ongoing deforestation will further accelerate forest fragmentation. By 2100, 50% of tropical forest area will be at the forest edge, causing additional carbon emissions of up to 500 million MT carbon per year.
aus Diskussion:
"(...)Die beobachtete Zunahme der Anzahl von Waldfragmenten und die starke Abnahme der mittleren Fragmentgröße werden schwerwiegende Folgen für Waldökosysteme und die sie bewohnende Fauna haben, da das Risiko des Aussterbens lokaler Populationen mit abnehmender Fragmentgröße und zunehmender Fragmentisolierung steigt. Während Arten-Flächen-Beziehungen in der Naturschutzökologie verwendet wurden, um das Artensterben bei schrumpfender Lebensraumfläche grob vorherzusagen, liefert unsere räumlich explizite Fragmentierungsanalyse Daten, die für verfeinerte räumliche Analysen verwendet werden können, um Gebiete zu identifizieren, die stark vom Artensterben bedroht sind. Der Schutz von Waldgebieten und die Wiederaufforstung könnten die Folgen der Fragmentierung wie das Aussterben von Arten mildern. Intakte tropische Wälder sind Kohlenstoffsenken, aber die Landnutzung kann sie in Kohlenstoffquellen umwandeln. Zudem kann das veränderte Mikroklima an Waldrändern zu einer höheren Baumsterblichkeit und damit zu zusätzlichen CO2-Emissionen führen.(...)"
Waldvernichtung in den Tropen konkret:
November 2021: Abholzung im Amazonas erreicht neuen Höchststand
Die gleichen Premium- und Elite-Medien, die in Deutschland seit Jahren bei der Waldvernichtung für Windkraft hierzulande großzügig wegschauen und Windkraft-Eingriffe in Wälder marginalisieren, berichten im November in übereinstimmend bejammerndem Ton die nochmalige Steigerung der Abholzungsrate der tropischen Wälder am Amazonas. Ich greife das die Biodiversität-Krise auf Klima-Alarm verkürzende ZDF heraus, das sich in dieser Meldung auf AP und AFP beruft; erneut wird die Waldzerstörung zum Vehikel des Klima-Alarms; wörtlich:
Ohne „Klimaschutz“ ist eine solche den Naturschutz betreffende, absolut katastrophale Horror-Nachricht für den Planeten offenbar in den „Leitmedien“ nicht mehr zu transportieren.
Bei aller Vorsicht scheint nach herrschendem Wissenstand für den Schutz aller Wälder der Erde die folgende Verallgemeinerung zulässig:
Möglichst naturnahe Wälder, die Stützung natürlicher Anpassungsprozesse, das Eindämmen von Brandrodung und illegalem Holzeinschlag sind weltweit die beste Investition für eine Erde mit langfristig gesicherten, reichhaltigen Waldökosystemen, – eine Erde mit Wäldern, die ihre Wohlfahrtsfunktionen (s.o.) auch für zukünftige Generationen erfüllen.
Die sofortige Schonung der letzten Primärwälder der Erde hat allerhöchste Priorität.
Die illegale weltweite Zerstörung der Wälder, belgeitet von mafösen Holzmarktstrukturen war schon 2016 Gegenstand einer sehr beeindruckenden und beklemmenden Übersichsstudie:
Ein Fazit – ganz bewusst an die deutschen Leit-Medien gerichtet:
Für die Problematik deutscher Wälder, „vor der Haustür“:
Es würde der deutschen Medien-Elite gut stehen, anstelle der gebetsmühlenartig wiederholten Alarmmeldungen eines alleine auf den Klimawandel als Ursache reduzierten angeblichen neuen Waldsterbens mit dem immer wieder kehrenden notorischen Hinweis und den Katastrophenbildern der durch Borkenkäfer geschädigten Fichten-Monokulturen Deutschlands auf die faszinierenden und durchaus gleichzeitig bedrohlichen Zusammenhänge hinzuweisen, die durch aktuelle Forschungen aufgezeigt werden.
Ob im selbsternannten Naturschutz-Vorzeigeland Deutschland die durch Kalamitäten entstehende Chance für naturnahe Wälder endlich genutzt wird?
Für den weltweiten Waldverlust:
Eine differenzierte Darstellung in den Medien wäre mehr als wünschenswert. Fokussierung oder gar Reduzierung der weltweiten Waldvernichtung auf Klimawandel oder Klima-Effekte, wie sie sich leider abzeichnet, birgt die Gefahr des im herrschenden Zeitgeist zunehmenden Tunnelblicks und der weiteren gedanklichen Engführung umfassender Umweltprobleme auf CO2 und Treibhausgase (siehe Epple, W.(2021): Generationengerechtigkeit und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Anmerkungen zum „Klimaschutzgesetz-Urteil“ des BVerfG vom 24.03.2021 aus Sicht des Naturschutzes. Naturschutz Magazin der Naturschutzinitiative e.V. 03/2021: 12-18.)
Ganzheitlicher Naturschutz für die Wälder der Erde würde eine Zusammenschau und die Zusammenführung aller durch den Menschen verursachten Gefährdungen der höchst komplexen Waldökosysteme zur Grundlage haben.
Waldvernichtung für Erneuerbare Energien – seien es weiter geplante Staudammprojekte für Wasserkraft oder die Rodung wertvoller Wälder für die Windkraftindustrie – ist unter ganzheitlicher Naturschutz- Sicht ein unverantwortlicher Frevel.