Beitragsbild: Windkraft-Baustelle im Wald. Foto: Harry Neumann
publiziert August 2021; ergänzt Januar 2023
Naturschutz und Gemeinwohl in deutschen Staatswäldern: wohlklingende Phrasen, hier am Beispiel Baden-Württemberg…
Bereits auf meiner Seite zu den Wäldern habe ich den Skandal der Auslieferung in öffentlichem Besitz befindlicher Wälder an die Windkraftindustrie aufgegriffen.
Aus aktuellem Anlass und angesichts einer für alle Naturschützer erschreckenden Einigkeit über die etablierten Parteien hinweg, dem Druck der Windkraftindustrie auf die Wälder endgültig nachzugeben, greife ich das Thema vertieft auf. Zunächst das Beispiel Baden-Württemberg:
Die Umgestaltung der baden-württembergischen Forstverwaltung in eine Anstalt des öffentlichen Rechtes begleitete der in Baden-Württemberg politisch verantwortliche Minister Peter Hauk (CDU) mit großen Worten. Auch den Waldnaturschutz ließ er dabei gönnerhaft nicht aus. Auszug aus der Verlautbarung des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg vom 02.Januar 2021:
(…)„ForstBW wird ökologisch vorbildlich, sozial ausgewogen und ökonomisch erfolgreich arbeiten. Die bewährten Elemente naturnaher und nachhaltiger Waldwirtschaft werden fortgeführt. Als wertvoller regionaler und nachwachsender Rohstoff wird Holz pfleglich geerntet. Der Staatswald wird in besonderer Weise für die Erholung der Bevölkerung zur Verfügung stehen und ebenso im Rahmen des Waldnaturschutzes Tier- und Pflanzenarten Lebensraum und Entwicklungsmöglichkeiten bieten“, betonte Forstminister Hauk in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender von ForstBW.(…)
…treffen auf Naturschutz-feindliche Energiewende-Wirklichkeit: politisch gewollte Waldvernichtung zur Ermöglichung der Windkraft
Ein halbes Jahr später, am 28. Juli 2021, wird es für den Waldnaturschutz in Baden-Württemberg konkret. Der „Waldnaturschützer“ Peter Hauk wird Erfüllungsgehilfe für die Begehrlichkeiten der Windkraftindustrie bei der Umsetzung des für den (nicht nur für) Waldnaturschutz verheerenden Teils des Koalitionsvertrages mit den GRÜNEN. Schon die Sprache der GRÜN-dominierten Staatsregierung, in der die einst wertkonservative CDU zum vorauseilend gehorsamen Juniorpartner herabgesunken ist, ist verräterisch:
„Energiewende – Vermarktungsoffensive Windkraft im Staatswald beschlossen„
„Vermarktung“ – das ist im Klartext Verhökern. „Vermarktung“ ist in diesem Falle auch Ausverkauf. Es ist Ausverkauf und Aushöhlung einer einst mit Berufsethos ausgestatteten und agierenden Forst-Verwaltung, die nun Vermarktungs-Anstalt unter Preisgabe des Schutzgutes wurde: Ausverkauf und letztlich Entkernung, was den einst geltenden Pflege- und Schutzauftrag der Förster für den Wald betrifft. Im Verein mit – ebenso z.T. staatlich gelenkten – Energieriesen, im Falle Baden-Württembergs ist es die EnBW („Wir laden Deutschland“…) *(siehe ganz unten, zwei konkrete Beispiele der Versündigung der Staatsbetriebe an der Natur), werden die Wälder, das Tafelsilber der letzten naturnahen Landschaften, für Innengeschäfte des Staates beim Abgreifen von Subventionen veräußert. In der ersten Auflage im Jahr 2017 meines aktualisierten Buches zu Windkraft und Naturschutz (Epple 2021; nun Seite 302 ff.) hatte ich den Skandal, der von den öffentlich-rechtlichen Medien wohlwollend und völlig unkritisch begleitet wird, bereits erstmals vertieft beleuchtet.
Man kann die Auslieferung in öffentlichem Besitz befindlicher Wälder an einen Industriekomplex durchaus auch als eine Form der Untreue bezeichnen. Denn die Öffentlichkeit, das „Volk“, ist Besitzer des Staatswaldes. Die rechtliche Befugnis, diese Wälder zu verwalten, zu bewirtschaften und zu pflegen, umfasst sicher nicht deren Rodung zum Zwecke einer Industrialisierung mit inzwischen 250 Meter hohen Kolossen aus Stahl, Kunststoff und Beton, die Zerstörung des Waldbodens durch gigantische Fundamente, die Störung der Lebensräume und Tötung von Abertausenden Wildtierindividuen, die diese Wälder als Existenzgrundlage benötigen. Es wäre spannend, zu den Vorgängen eine Volksbefragung durchzuführen…
Das Narrativ der Weltrettung durch Windkraft, das die GRÜNEN im Verein mit der Windkraftindustrie und mit breiter Unterstützung der Medien seit Jahren verbreiten, ist die Grundlage für diese beklemmende Fehl-Entwicklung.
In Baden Württemberg klingt das im Sommer 2021 wie folgt:
„Nicht erst seit den verheerenden Überschwemmungen machen sich die Auswirkungen des globalen Klimawandels auch hierzulande schmerzlich bemerkbar. Der Ausbau der Windenergie ist ein entscheidender Baustein auf dem Weg hin zu einem klimaneutralen Baden-Württemberg“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Mit unserer im Koalitionsvertrag vereinbarten Vergabeoffensive für die Vermarktung von Staatswald- und Landesflächen für die Windkraftnutzung sollen von ForstBW Flächen im Staatswald für den Windkraftausbau identifiziert sowie zeitnah und umfangreich bereitgestellt werden. Hier liegt noch viel unausgeschöpftes Potential, das wir beherzt nutzen wollen. Mit unserem Ministerratsbeschluss vom Dienstag, 26. Juli 2021, werden wir den Ausbau der Windkraft im Land kraftvoll vorantreiben!“
Zusammen mit der aus dem Jahr 2019 stammenden „Potenzialanalyse“ der unter GRÜNER Herrschaft endgültig auf Windkraftkurs gebrachten LUBW, die ein Potenzial von 20.000 (!!) Windenergieanlagen allein in Baden-Württemberg sieht, wird der Dammbruch für die Entwertung weiter waldbetonter Landstriche im Südwesten durch Windkraft nun vollzogen. Auf eine besonders fundierte Kritik an den LUBW-Verlautbarungen durch den Landschaftsarchitekten Ulrich Bielefeld habe ich bereits hingewiesen und will es an dieser Stelle angesichts der alarmierenden Entwicklung noch einmal tun.
Aus Anlass der „Vermarktungsoffensive“ wiederholt der GRÜNE MP Windfried Kretschmann gleich noch einmal seinen redundant vorgetragenen Angriff gegen den Artenschutz. Die Formulierungen Kretschmanns decken sich nahezu 1:1 mit Parolen und Forderungen der Windkraftindustrie, und sind austauschbar mit unzähligen in die gleiche Richtung gehenden Berichten deutscher Medien ; hier der entscheidende weitere Auszug aus der Pressemitteilung vom 28.Juli 2021:
(…)„Die Bereitstellung geeigneter Flächen ist die wichtigste Voraussetzung für den Bau der Windkraftanlagen. Es kommt aber auch auf zügige Genehmigungsverfahren an. Innerhalb der Landesregierung besteht Einigkeit, das wir weitere rechtssichere Vereinfachungen und Beschleunigungen für Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen in allen windkraftrelevanten Rechtsbereichen brauchen. Dies betrifft auch den Bereich des Artenschutzes“, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Genehmigungsverfahren für die Windkraft seien generell zu langwierig und zu aufwändig. Das müsse sich ändern.(…).
Die Opferung der Staatswälder für den „Klimaschutz“ durch Windkraft erscheint wie eine politisch konzertierte Aktion zur Ermöglichung des Durchmarsches der Windkraftindustrie über Länder- und Parteigrenzen hinweg. Dies ist nach der Kaskade von Angriffen der scheidenden Bundesregierung gegen den Artenschutz im Zuge der „Beschleunigung des Windkraftausbaus“ in der Energiewende (siehe Epple 2020; Beitrag im Magazin der Naturschutzinitiative e.V. 03/2020) nicht mehr überraschend. Man ist sich einig, man hat es oft genug wie ein Mantra und gebetsmühlenartig wiederholt und in der medialen Echokammer wieder und wieder gehört: Windkraft ist die „tragende Säule“ der Energiewende und also angeblich entscheidender Beitrag zur „Klimaneutralität“…
Erschreckend gleichsinnige Entwicklung in waldreichen Bundesländern:
Forstverwaltungen werden unter politischen Vorgaben zu Helfern der Waldvernichtung und zu Windkraft-Profiteuren
In meinem Buch zu Windkraft und Naturschutz (Epple 2021, S. 302 ff.) habe ich die Rolle der Staatsforsten der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern vertieft aufgegriffen. In weiteren Bundesländern, etwa in Hessen, Niedersachsen, Mecklenburg -Vorpommern ist der Wald nun gezielt (und teilweise mit Hilfe der Forstverwaltungen) zunehmend schutzlos, was die bevorstehende oder schon stattfindende Industrialisierung mit Windkraft betrifft.
Hier – kursorisch – für Interessierte die Verlinkung zu einigen einschlägigen Verlautbarungen und Seiten, die die Auslieferung der (staatlichen) Wälder an die Windkraftindustrie dokumentieren; die Aufzählung ist nicht vollständig…siehe aber unten angehängte konkrete Beispiele:
Bayern, Bayerische Staatsforsten **
Rheinland-Pfalz, Landesforsten Rheinland-Pfalz
Mecklenburg-Vorpommern, Landesforst MV
Niedersachsen, neuer Windkrafterlass 2021; von Windkraftbranche gefeiert. Verantwortlich für den dortigen zunehmend Menschen und Natur verachtenden Windkraftkurs ist Minister Olaf Lies/SPD („Dem Norden gehört die Zukunft“...)
Windkraft im Wald: Vor dem Hintergrund der weltweit prekären Situation der Wälder dieser Erde verantwortungslos
In Deutschland, das so gerne der Vorreiter sein will im Naturschutz, und das sich anschickt und anmaßt, Schrittmacher und Vorbild für den weltweiten „Klimaschutz“ zu sein, entsteht unter Missachtung aller Erkenntnisse zur pfleglichen Bewirtschaftung der Wälder, zum Waldnaturschutz und zur Klimafunktion der Wälder ein globaler Hotspot der Waldzerstörung. Dies im Namen des „Klimaschutzes“.
Eindrucksvoller könnten die an mehreren Stellen auch meiner Homepage und in weiteren Publikationen aufgezeigten Defizite der deutschen Energiewende, letztlich die Absurdität und Widersprüchlichkeit der Methoden einer auf Technisierung der Natur setzenden, in Wirklichkeit jedoch Natur fressenden Klimaschutz-Maschinerie kaum demonstriert werden.
„Windräder im Wald sind Irrsinn im Quadrat“
Dies ist umso bemerkenswerter, als sich unter den Teilnehmern des „Nationalen Waldgipfels“ in einem sogenannten „Nachhaltigkeits-Talk“ auch die Anführerin der „Fridays for Future“-Bewegung in Deutschland befand. „Fridays for Future“, deren Anführerinnen überwiegend aus Bündnis 90/die Grünen rekrutiert sind, betätigt sich politisch eindeutig und einseitig als Pressure-Group der Windkraftindustrie in Deutschland. Es bleibt zu hoffen, dass von der klaren Aussage zur Windkraft im Wald wenigstens eine gewisse Wirkung auf die jungen Klima-Aktivisten ausgeht, die Haltung zur Naturzerstörung durch Windkraft wenigstens zu überdenken. Denn es sind die selben Aktivisten, die das „Klima-Urteil“ des BVerfG ausgelöst haben. Von diesem Urteil wird absehbar ein weiterer Schub an Naturzerstörung durch Windkraft – auch in unseren Wäldern – ausgehen (zu diesem Urteil siehe Epple 2021: Generationengerechtigkeit und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Anmerkungen zum „Klimaschutzgesetz-Urteil“ des BVerfG vom 24.03.2021 aus Sicht des Naturschutzes. NaturschutzMagazin der NI e.V. 03/2021: 12-18).
Konkretisierung:
*Zwei Beispiele der EnBW-Windkraft-Invasion auf Flächen der ForstBW; jeweils in wertvollster Natur, die vorher von Windkraft unbelastet war/ist:
bereits vollendet: Windindustriegebiet „Goldboden“ bei Winterbach im Schurwald; man beachte die Darstellung, das „Kunstprojekt“ mit weiterer Naturbelastung, die Parolen zur „Versorgung“ von „2500 Haushalten pro Anlage mit „erneuerbarem Strom“ (!) Zur ernüchternden Realität siehe den Auftritt mit belegten Zahlen der „BI Pro-Schurwald„.
im Entstehen: Windindustriegebiet „Häusern“ in der Nähe des Schluchsees im Südschwarzwald; ein besonders wertvolles Gebiet des Schwarzwaldes, auch hinsichtlich des Schutzes von Fledermäusen…
Beide naturschädigenden Projekte habe ich in meinem Buch zum Konflikt erwähnt und einige Hintergründe beleuchtet. Jeweils ist auch die Parole der Windkraftindustrie Lügen gestraft, man plane und baue nicht in wertvolle Wälder oder Naturgebiete…
** Bayern: CSU und Freie Wähler erfüllen die GRÜNEN-Agenda
In Bayern zeichnete sich schon seit geraumer Zeit ein Präzedenzfall der zunächst als „Modifizierung“ eines wertvollen Landschaftsschutzgebietes verklausulierten Entwertung eines der letzten großen zusammenhängenden und im Staatsbesitz befindlichen Waldgebiete des Flachlandes durch Windkraftindustrialisierung ab. Mit dem Generalangriff der Ampel-Koalition 2023 auf den Landschaftsschutz (generelle Öffnung der Landschaftsschutzgebiete für Windkraft!) ist das Schicksal vieler Staatswälder in Bayern besiegelt. Beim erwähnten Präzedenzfall-Waldgebiet handelt sich um den „Ebersberger Forst„ östlich von München, der per Verordnung zum eigentlich unersetzlichen Bannwald erklärt wurde. Hier ist der Eigentümer also wieder der Staat, es sind die Bayerischen Staatsforsten. Näheres zum konkreten Fall „Ebersberger Forst“ siehe hier und hier.
Mit der Vernichtung und Entwertung von Staatswald wird nach dem Vorbild Baden-Württemberg (s.o.) in Bayern neuerdings von höchster Stelle aus sogar geprahlt:
Am 13.12.2022 postet der unter Druck durch den Koalitionspartner (Hubert Aiwanger, Freie Wähler) und seitens der GRÜNEN sowie einer ganzen Phalanx weiterer Parteien und Windkraft-affiner Verbände (siehe Epple 2022 und auf dieser Seite der Homepage) agierende, politisch verantwortliche Ministerpräsident Dr. Markus Söder (CSU) wie folgt (Screenshot gesichert):
Am 22. April 2023 legt Söder nach. Zunächst der Wortlaut, wie die Windkraft-Branche im Windkraft-Journal feiert: „(…)(WK-intern) – Fuchsstadt – Am Samstag hat Qair mit tatkräftiger Unterstützung von Ministerpräsident*in Söder einen neuen Windpark im unterfränkischen Fuchsstadt ans Netz genommen.(…)In einem Grußwort im Rahmen der Eröffnungsfeier betonte auch Ministerpräsident*in Söder die Wichtigkeit der Windkraft in Bayern, bevor es die Windräder eigenhändig am Ende der Veranstaltung durch einen Knopfdruck startete (…)“.“ (Anm.WE: Das Gender-Sternchen stammt aus dem Original)
Söder spricht in seinem eigenen Tweet der Einweihung des Windindustriegebietes in Fuchsstadt/Unterfranken salbungsvoll von „Schöpfung“ und „Zukunft unserer Kinder“, und offenbart mit dem 1:1-Nachsprechen der Propaganda der Windkraftindustrie (die prahlt für das Windindustriegebiet Fuchsstadt mit der Versorgung von ca. 9000 Haushalten mit Erneuerbarer Energie) erschreckende Wissenslücken; hier der Screenshot des Twitter-Posts von Dr. Markus Söder:
*** In Hessen steht mit dem „Reinhardswald“ eines der wertvollsten Waldgebiete in der Mitte Deutschlands zur Windkraft-Disposition. Verwickelt ist Hessen Forst. Die politisch und forstlich Verantwortlichen können durch wenige Mausklicks für jeden Interessierten leicht ermittelt werden. Es regt sich verzweifelter und sehr fundierter Widerstand, z.B. hier und hier.