November 21, 2024

Positive Beispiele – eine kleine Sammlung

Auf dieser Seite sollen in loser Reihenfolge und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit konkrete Beispiele für Entwicklungen, Projekte und Ansätze weltweit aufgegriffen werden, die zeigen, dass innerhalb unserer krisenhaften Entwicklung Möglichkeiten und Chancen bestehen und verwirklicht werden können, die zur Trendwende beitragen könnten. Hin zu einem Trend, die Erde für den Menschen und seine Mitgeschöpfe als das bewohnbar zu behalten, was sie ist: Eine wunderschöne, auch bedrohliche doch immer zum Erleben, Staunen und Schützen herausfordernde und behütende Heimat.

Ganz bewusst wird ein Projekt aus Afrika hier vorangestellt. Denn in Afrika südlich der Sahara entscheidet sich ein guter Teil der Zukunft unseres Menschenkollektives – hinsichtlich der Bevölkerungsfrage, hinsichtlich der gerechten Verteilung der Güter der Welt, hinsichtlich eines weltumspannenden WIR.

Madikwe – Wildtiere und Menschen in Südafrika

Eine Utopie bekam die Chance der Verwirklichung:

Wo vorher Ziegen und Rinder lokaler Kommunen die Tendenz zur Verarmung kaum stoppen konnten, und wie in anderen Gebieten ein Konflikt zwischen kärglicher Landnutzung und Wildtieren bestand, ist auf ca. 75.000 Hektaren (das ist etwa drei Viertel der Größe der beiden Nationalparke Sumava und Bayerischer Wald zusammen) seit 1991 ein Wildtierreservat entstanden: Das Madikwe Game Reserve.

Das insgesamt als Erfolgsgeschichte zu wertende Reservat fand durch einen Film von Werner Zips und Manuela Zips-Mairitsch Eingang in die Berichterstattung der Medien.

Löwe, Stolz, Raubtier, Mähne, Raubkatze
Afrikanische, Elefant, Kuh, Kalb, Mutter, Kinder, Baby
Afrikanische Wildhund, Lycaon Pictus
Tüpfelhyäne, Hyäne, Säugetier, Safari, Aasfresser
Zebra, Impala, Elefant, Wildnis, Nationalpark, Savanne
Auch wenn Managementmaßnahmen zukünftig die Populationen der großen Pflanzenfresser betreffen sollten, ist Madikwe wie die großen Nationalparks Afrikas durch die Jagdruhe eine Möglichkeit für die Begegnung des Menschen mit den Wildtieren Afrikas. Von oben: Löwe, Elefant, afrikanischer Wildhund, Tüpfelhyäne, Zebras und Impalas. Alle Fotos: Pixabay

Private Finanzierung und Einnahmen aus dem Ökotourismus bringen Prosperität auch für die umliegenden Gemeinden und ihre Menschen. Der Reiseführer Südafrika.net schreibt: „Mit der „Operation Phoenix“ begann man 1993, mehr als 8000 Tiere im Park anzusiedeln. 1996 wurden auch Raubtiere in Madikwe eingeführt, zunächst Geparde, Wildhunde und Hyänen, später auch Löwen aus dem Etosha National Park (Namibia) sowie dem benachbarten Pilanesberg Nationalpark. 180 Elefanten kamen aus dem von einer katastrophalen Dürre betroffenen Gonarezhou Game Reserve in Zimbabwe. Die Umsiedlung der Dickhäuter verlief sehr erfolgreich, und die Elefanten Population in Madikwe ist auf stattliche 250 Tiere angewachsen. (…)Heute leben mehr als 12.000 Tiere im Madikwe Wildreservat. Sämtliche Großwildarten sind vertreten, einschließlich Breit- und Spitzmaul-Nashörnern, Büffeln, Giraffen, Zebras und einer Vielzahl von Antilopen. Ausserdem konnten über 350 Vogelarten registriert werden.
Der Madikwe Park wurde gemeinsam durch die Naturschutzbehörde der Nordwest Provinz als auch durch private Investoren finanziert. Sämtliche Hotels und Game Lodges gehören Privatfirmen, die dafür Konzessionsgebühren an die Parkbehörde zahlen. Einbezogen sind auch die umliegenden Gemeinden, die einen jährlichen Anteil an den Park-Gewinnen bekommen und damit eigene Infrastruktur Projekte fördern können.“

Selbst dann, wenn solche Win-Win-Situationen für Mensch und Natur nicht überall auf der Erde hergestellt werden können, ist Madikwe doch ein Leuchtturm für an vielen Orten bestehende Möglichkeiten im Afrika südlich der Sahara, die Interessen von Mensch und Wildlife zu versöhnen. Dass hier wie im Schutz vieler Nationalparks der Erde die Sehnsucht der Menschen nach angstfreien und dennoch „hautnahen“ Begegnungen mit Wildtieren eine maßgebliche treibende Kraft ist, die den Ökotourismsus stützt, schließt den Kreis zu den Eingangs-Überlegungen, dass sich nur das geschonte Leben (dem Menschen) offenbart.

Nachdenkenswertes zum Ökotourimsus:

Klar ist: Ökotourismus setzt Prosperität auch auf der „Kundenseite“, bei den Reisenden, voraus. An nachhaltigen Strategien für den Tourismus muss selbstverständlich vertieft und dringend gearbeitet werden, damit Fernreisen, auch im Flugzeug, in Zukunft überhaupt noch möglich sind. Dabei geht es eben nicht nur um „Klimaneutralität“ und einen schäbigen Ablasshandel via CO2-Abgabe pro Flugkilometer. Es geht um eine Abwägung von allen Vor- und Nachteilen. Wird Naturverbundenheit gestärkt, sowohl bei den Reisenden, als auch bei der lokalen Bevölkerung, die von einem Projekt wie Madikwe profitiert, kann das den positiven Ausschlag für die Bejahung geben.

Es ist keine Frage: Solche Modelle sind geradezu Symbole für eine weltumspannende Solidarität, zwischen den Menschen, deren Austausch über weite Entfernungen ermöglicht wird, und Solidarität mit der Natur im ebenso weit enfernten Land. Madikwe steht also für mehr als das mögliche Bestaunen der „Big Five“ Afrikas. Es steht für eine ganzheitliche Chance.

Der Tiger – ein nicht endendes Projekt für Indien, ganz Asien und die Welt

Ich habe zu Beginn der 1980er Jahre mehrere Nationalparks und Tigerschutzgebiete Indiens besucht. Damals war Gefährdung und Schutz der Tiger endlich in das Blickfeld der Naturschutz-Weltöffentlichkeit gerückt, und speziell in Indien gab es für den Bengaltiger erste Erfolge. Allerdings waren diese Schutzbemühungen von Anfang an verbunden mit schwierigsten Konflikten bei der Einrichtung angemessen großer Reservate, die insbesondere mit der Umsiedlung von Menschen aus den Reservaten zu tun hatte, wie mir Fateh Singh Rathore, damals Direktor des Nationalparks Ranthambore eindrucksvoll beschrieben hat. Es gab sogar Morddrohungen gegen führende Persönlichkeiten im Bereich Tigerschutz…Heute schreiben die persönlich bekannten Tiger Ranthambores Geschichte

Dennoch, und trotz erheblicher auch aktueller Probleme: Das unter der Regierung von Indira Ghandi 1973 ins Leben gerufene „Project Tiger“ war gewissermaßen ein Startschuss für die Rettung der größten und eindrucksvollsten Raubkatzen der Erde. 1984 schreibt Markus Kappeler in einer ersten Bilanz: „Das Projekt Tiger ist ein Musterbeispiel dafür, wie durch ganzheitliche Ökosystem-Betrachtung Pflanzendecke, Wasserhaushalt, Wildtiere und Mensch in Einklang gebracht werden können.“

Tiger sind Leitart, Schlüsselart und Flaggschiffart in einem und stehen in ihren letzten Vorkommen mit ihren Unterarten überall für den Schutz von Arten im Interessenkonflikt. Der Tiger ist, wie Markus Kappeler richtig schreibt, auch Symbol für die umfassende, ganzheitliche Herangehensweise, wenn Naturschutz erfolgreich sein soll.

Amurtiger, Tiger, Raubkatze, Sibirisch, Raubtier
Amurtiger. Foto: Marcel Langthim; Pixabay
Der Amurtiger ist die größte Raubkatze der Welt, Männchen können bis ca. 300 kg wiegen. Die größte Unterart des Tigers ist wie die anderen des Tigers Symbol für gelingenden Artenschutz, wenn die Hauptursache direkte Verfolgung ist und ausgeschaltet werden kann. Die Geschichte der großen Raubkatzen ist stellvertretend für andere Großkatzen (siehe Leopard, Arten im Interessenkonflikt). Der Ausrottungsvorgang ist verbunden mit der Zersplitterung und dem Schrumpfen des Verbreitungsareals. War der sibirische Tiger einst in großen Teilen Sibiriens bis nach Korea und zur Halbinsel Sachalin verbreitet, ist sein heutiges Areal im Vergleich auf einen winzigen Rest zusammengeschmolzen.
Neuerdings ist der Lebensraum der Tiger Sibiriens bedroht durch exzessiven Holzeinschlag. Ob die FSC-Zertifizierung der Wälder am Amur den Holzeinschlag wirklich dauerhaft in naturverträgliche Bahnen lenkt, bleibt abzuwarten.

Der Tigerschutz ist ein halbes Jahrhundert nach Beginn ernsterer Schutzbemühungen nirgends in Asien, auch nicht in Indien, in trockenen Tüchern. Rückschläge, insbesondere weitere Lebensraumzerstörung und die illegale Jagd (Trophäen und Verwendung für die ominöse chinesische Medizin) setzen den Tigern weiter zu, und bis heute ist großes, auch ehrenamtliches Engagement gefragt und nötig, um den Tigerbestand auf der Erde in die Zukunft zu retten. Einige Unterarten sind bereits ausgerottet: Javatiger, Balitiger und der bis in die 1970er Jahre noch bis in den Osten der Türkei vorkommende Kaspische Tiger. Weitere Unterarten stehen vor der Ausrottung, insbesondere scheint das Schicksal des Südchinesischen Tigers besiegelt.

Dennoch liste ich den Tiger – es mag angesichts der weiterhin bestehenden Gefährdungssituation gewagt sein – insgesamt unter den Positiv-Beispielen für Ganzheitlichkeit des Naturschutzes: Diese Art hat nach dem Project Tiger Indiens soviel weitere und durchaus eindrucksvolle Schutzprojekte und Bemühungen ausgelöst und auch aktuell im „Gepäck“. Und sie hat als Flaggschiff dem Naturschutz insgesamt in vielen und komplexen Themenfeldern Vorschub und Ansehen in verschiedensten Ländern verschafft.

Ein männlicher Begaltiger auf dem Weg zur Tränke. Corbett-Nationalpark 1985. In den Schutzgebieten Indiens sind Tiger dank der Schonung wieder tagaktiv. Die gesamte Spezies ist mit allen Unterarten durch Lebensraumzerstörung und direkte Verfolgung weiterhin stark gefährdet. Der Pfad, den der Tiger geht, wird auch von wilden Elefanten benutzt… Fotos: Wolfgang Epple

Ich schließe dieses zweischneidige Positiv-Beispiel mit der Erinnerung an den erwähnten Fateh Singh Rathore, mit dessen den Menschen berücksichtigenden Auffassung von Artenschutz ich voll übereinstimme. Er hat sich unermüdlich für die vom Tigerschutz betroffenen Menschen mit eingesetzt, und Programme initiiert, um sie vom Wildern der Tiger abzuhalten: „Realising that the poachers are mainly from the Mogya tribe of nomadic hunter-gatherers with no other means of livelihood, TW (Anm.: „Tiger Watch“, eine mit Fatehs Unterstützung gegründete NGO)has started a rehabilitation programme for them, involving the women in handicraft production, and setting up a hostel where their children can be clothed, fed and educated, to give them some dignity and better prospects in future. This is strictly on condition that the men give up poaching. As this exercise depends solely on donations from well-wishers, funds are always a problem to collect, but the efforts go on.“

Als Fateh Singh Rathore, der „Tiger Guru“, nach 40 Jahren Einsatz für die Tiger am 1. März 2011 starb, war das sogar der New York Times einen Bericht wert, aus dem hier noch einmal zitiert wird

“The forest and all its creatures were the creation of the gods“, he (Fateh Singh Rathore) argued over the village fires, the Wards wrote. “Did not the goddess Durga, the slayer of demons, herself ride a tiger? No man had a right to disturb that divine creation. The forest must be left to grow back.”

Wie sehr einseitig aufbereitete Erfolgszahlen im Artenschutz täuschen können, zeigt die Diskrepanz zwischen der offensichtlich gewachsenen Anzahl der Tiger in Indien und dem gleichzeitigen Schrumpfen der Habitate und ihrer Verbreitung. Die indische Erfolgsgeschichte, wie sie am 29. Juli 2019 im Journal „The Consevation“ veröffentlicht wurde, ist in vielen Medien gefeiert worden, und die Mahnung der Autoren Matt Hayward & Joseph K. Bump fand zu wenig Eingang in die Berichterstattung. Sie sei deshalb hier wörtlich wiedergegeben:

However not all is rosy. There has been a 20% decline in areas occupied by tigers in 2014 to today, although tigers have moved into some new areas (some 8% of their Indian range is new). The coordinators of the tiger survey – Yadvendradev Jhala and Qamar Qureshi – conclude that while established and secure tiger populations in some parts of India have increased, small, isolated populations and those along corridors between established populations have gone extinct.

Geduld, die Liste der Positivbeispiele wird fortgesetzt