Gegenwart-Philosophie* als Nährboden für Ausgrenzung?
Ein Einspruch im Namen des ganzheitlichen Naturschutzes anhand des Konfliktes Windkraftindustrie-Naturschutz ***
publiziert 2022
Vorbetrachtung: Was bin ich? Populist, Nazi, Klimaschmutz-Bewegter?
Von diffuser Gleichsetzung als Methode der Ausgrenzung und Grundlage eines modernen Mythos
Der Philosoph Markus Gabriel erklärt in seinen Betrachtungen zum moralischen Fortschritt in dunklen Zeiten* folgende Fragen zu Nichtmoralischen Parametern, in dieser Reihenfolge: „Welche Winterstürme entstehen an welcher Stelle? Wie viel Wald dürfen wir für Windräder roden, ohne damit die grüne Lunge einer Region anzugreifen?“ (S.23/24) um an späterer Stelle (S.236) die Kritik an Greta Thunberg oder Politikern der Grünen in das Reich des Bösen und in die Nähe der Nazis zu rücken. In Unfehlbarkeit beanspruchender Feststellung gehören nach Gabriel # MeeToo und Fridays for Future zu den „(…) vielfältigen Prozessen moralischen Fortschritts“, während wörtlich: „(…) eine Spielart des Populismus meint, es gäbe eine Art Normalfamilie (Mama, Papa, zwei bis vier Kinder, Eigenheim mit Garten und Carport.“. Beide Zitate stammen aus Seite 244 des Bahn brechenden Werkes, wo auf der dann folgenden S.245 unter „faktischer Drohkulisse eines neuen Rechtsradikalismus“ nun nicht mehr überraschend die Kritik an den Ikonen der Klimabewegung in die Nähe zu Rassismus gerückt wird.
*Die Wortwahl ist inspiriert durch
Markus Gabriel (2020, 2. Aufl.). Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten. Ullstein, Berlin. Auf dieses Werk wird in diesem Text mehrfach Bezug genommen
Es ist in den Zeiten eines sich rasant zuspitzenden Konfliktes um die Windkraft von Belang zu wissen, wohin man in einem „Entwurf der Aufklärung gegen den Wertenihilismus“ (Klappentext Gabriel 2020) in der neuen Einteilung von Gut und Böse sortiert wird. Dass der hierbei subtil eifernde Philosoph Opfer seines eigenen Kunstgriffes der diffusen Gleichsetzung wird, sei deshalb aufgezeigt: Windräder im Wald sind nichtmoralisch parametrierte Naturereignisse wie Winterstürme, Angriffe auf Grüne gleich „Nazitum“, Erinnern der Kernfamilie ist Spielart des Populismus. Dagegen: FfF ein Zeichen des moralischen Fortschritts. Die Kritik an der Energiewende (auch diese in Summe apriorisch nach Gabriel gut) geboren aus dem Reich des Bösen. Eine ganze Generation von Journalisten macht ihre Leser zu Opfern einer solchen, sogar mehrfach gestaffelten diffusen Gleichsetzung, mündend im abertausendfach nachgesprochenen alles bestimmenden Narrativ. Es wird zum Mythos der Gegenwart: Windkraft und Erneuerbare sind gleich Klimaschutz ist gleich Naturschutz ist gleich Menschheit- und Weltrettung.
Es geht Markus Gabriel um nicht weniger als das richtige Denken. Attacken gegen GRÜNE oder Greta Thunberg sind demnach solche auf: „(…) Personen, die sich dafür einsetzen, dass wir falsche Denkmuster überwinden, um die entscheidende Gefahrenlage für die Menschheit als Ganze anzuerkennen (…)“ . Gehöre ich also zu denen, die: „(…) falsche Lösungen für echte Probleme anbieten (etwa den „deutschen“ Dieselmotor für klimafreundlich ausgeben oder den „deutschen“ Wald vor Windrädern schützen wollen).“ (beide Zitate Gabriel S. 236). Sie haben es bemerkt: Zweimal sind Argumente diffus sogar doppelt gleichgesetzt, „deutsch“ attribuiert damit das Böse.
Ich muss mir, wie bereits in meinem Buch zum Konflikt (10) dargestellt, neuerdings Sorgen machen, wohin ich als naturschutz-motivierter Kritiker der Energiewende sortiert werde: Als Evolutionsbiologe hatte ich die Befassung mit Einheiten der sozialen Organisation des Menschen, zu denen die Jahrhunderttausende währende Rolle der Kernfamilie in den prägenden Kulturstufen bislang wertfrei untersucht werden durfte, nicht als „Populismus“ einordnen können. Meine wiederholt geäußerte Kritik an Politikern der GRÜNEN ** und FfF bringt mich in die Nähe von „Nationalisten“ oder gar Rassisten. Weil ich in meinem Buch Argumente gegen die Invasion der Windkraft in die Reste der Natur formuliere, attestieren mir Windkraft-Fanatiker die Zugehörigkeit zu einer Klimaschmutzbewegung, zur schmutzigen Kohle-oder Atom-Lobby, ich kann es mir aussuchen. Bin ich verantwortlich, dass die demokratischen Kräfte meines Landes einer Partei am rechten Rand die dringend notwendigen kritischen Fragen zu einem Thema überlassen, die aus der politischen Mitte im Rahmen eines ergebnisoffenen und nicht ausgrenzenden Diskurses gestellt werden müssten? Wer hat zu verantworten, dass eine Partei wie die AfD, in der völkisch denkende Wirrköpfe geduldet und Wortführer sind, an völlig falscher Stelle überhaupt eine Plattform bekommt? Wer ist verantwortlich für die Engführung der den Klimawandel umfassenden globalen sozial-ökologischen Krise auf Treibhausgasemissionen? Ein verhängnisvoller Reduktionismus, der bis hinein in das Bundesverfassungsgericht reicht (17).
** Meine Kritik gilt genauso Politikern anderer Parteien, etwa Olaf Lies/SPD, Peter Hauk/CDU, Hubert Aiwanger, Freie Wähler u.a.m.
Zuweisung von Populismus, „Nazitum“, diffus gleichsetzendes Gut-Böse-Narrativ. Das hat, wie ich zeigen will, mit dem im Folgenden thematisierten Windturbinen-Tod eines Königs der Lüfte zu tun. Denn wer und was über die weltweite Zukunft des Naturschutzes entscheidet, macht sich an der gegenwärtig um sich greifenden medial gestützten Einteilung in Gut und Böse und einer daran aufgestellten gesellschaftlichen Schlachtordnung fest. Es geht um die Deutungshoheit, was in Zeiten der Energiewende gut ist, um Ausgrenzen des und der als Böse erkannten. Es geht im Moment ganz konkret um den endgültigen Durchmarsch der Windkraft in alle Lande, in die letzten unversehrten Ecken Europas. Hierfür werden neuerdings Bündnisse der Guten geschmiedet. Das betrifft die Landschaft der deutschen Umweltverbände, die einmal als Naturschutzverbände gestartet waren, und noch immer diese Etiketten vor sich hertragen.
Heiligt der Klimazweck politisch einseitig agitierende Bündnisse der Guten?
Spätestens seit dem 30. Januar 2020 ist klar, wer im Club der Umweltverband-Eliten zu den Guten, den Mainstream-konformen der „Klimarettung“ gehört. Dem erwähnten Haupt-Narrativ folgend muss die Unterstützung der Windkraftindustrie als „Zugpferd“ der deutschen Energiewende nach vorne (1). Ein Meilenstein ist die gemeinsame Pressemitteilung von Deutscher Naturschutzring (DNR), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace, NABU und WWF vom 30. Januar 2020 : „Umweltorganisationen fordern beschleunigten naturverträglichen Ausbau der Windenergie…“
Wie ein solches, politisch weiterentwickeltes Bündnis der Guten zusammengesetzt ist, zeigt ein Blick auf die Homepage der in München angesiedelten Gregor-Louisoder-Umweltstiftung. Das „breite Bündnis“, angetreten zur Wahlkampf-wirksamen „Entfesselung der Windkraft“, mit Agitprop-Veranstaltungen bis hinauf auf die Zugspitze (2), erhält zustimmende Berichterstattung vom windkraftfreundlichen BR, der als öffentlich-rechtliche Anstalt seinen aus dem Staatsvertrag entstehenden Verpflichtungen zur Ausgewogenheit längst nicht mehr nachkommt (Epple 2021; (10)). Weitere windkraftaffine Leitmedien ergänzen die Phalanx. Dass es im Kern um die Ablösung der CSU geht, die mit dem Festhalten an 10-H nach Einteilung des Philosophen zu den Bösen zu rechnen sein dürfte, ist kaum zu übersehen; Screenshot 30. 01.2022:
Unter den 10 Forderungen dieses Klima-Bündnisses findet sich kein (Stand Anfang Februar 2022) einziges Wort zur Einsparung von Energie. Umso mehr lohnt ein Blick auf einige führende Beteiligte und ihre Verlautbarungen. Die dem linken Spektrum zugehörigen Parteien BÜNDNIS 90/die GRÜNEN, ÖDP, SPD und LINKE bedürfen keines Kommentars. Drei aus dem Verbands- und Aktivisten-Spektrum seien herausgegriffen. Immerhin reklamieren die Umweltverbände satzungsgemäß noch immer Überparteilichkeit.
Erstens: Der BUND Naturschutz in Bayern. Dessen Chef Richard Mergner, laut Wikipedia ein Regionalplaner und Wirtschaftsgeograph, äußert in einem Interview des „Merkur“ (3) ans Irreale grenzende Vorstellungen zur zukünftigen Versorgung Bayerns mit elektrischer Energie. Eine Realisierung seiner Pläne würde nicht nur das Ende der Anmut der meisten bayerischen Vorzugslandschaften bedeuten, sondern auch den endgültigen Angriff auf jeden noch denkbaren gesellschaftlichen Konsens: „(…) In unserem Energiekonzept für Bayern (…) haben wir ausgerechnet, dass je nach Leistung 6000 bis 10 000 neue Windkrafträder notwendig sind. Damit könnte man die Leistung auf 32 Gigawatt erhöhen. Das ist zwölfmal so viel wie heute. Umgerechnet heißt das pro 1500 Einwohner in Bayern ein Windrad. Oder eben 120 Windräder je Landkreis. (…) Wenn wir uns irgendwann komplett aus den Erneuerbaren versorgen können, sind wir übrigens komplett unabhängig von Gaslieferanten und müssen uns nicht mehr die Preise diktieren lassen. Mittelfristig gehört zum Gesamtbild, dass wir akzeptieren, dass Energie erstmal teurer wird. Das ist ein volkswirtschaftliches und betriebswirtschaftliches Signal, das wir brauchen (…).“ So viel Treue will belohnt werden. Der BUND ist satzungsgemäßer Alleinerbe des Bundesverbandes WindEnergie (BWE) bei dessen Auflösung. Dass und wie die Vollendung der nationalen Wasserstoffstrategie und der Elektrifizierung aller Bereiche der Gesellschaft in eine verschärfte Importabhängigkeit führen wird, scheint durch einen solchen Wall von Verblendung nicht mehr zu dringen.
Zweitens: Der Landesbund für Vogelschutz e.V. (LBV). Dessen Vorsitzender Dr. Norbert Schäffer ist für den BR die Personifizierung des Vogelschutzes schlechthin, die Instanz, die für alle spricht. Am 30.01.2022 wird im Stile eines Hofberichtes für Windkraftunterstützung diagnostiziert (4): „Die Zeit, in der Vogelschützer generell gegen Windkraft waren, ist längst vorbei. Doch eine Sache macht es ihnen schwer: die 10-H-Regel.“ Das Statement des LBV-Chefs im BR-Artikel: „Ohne 10H habe der Landesbund für Vogelschutz (LBV) gar kein Problem mit neuen Windparks, sagt der Vorsitzende Norbert Schäffer. Der LBV könne sofort Karten auf den Tisch legen, wo Windparks bedenkenlos gebaut werden können. Doch wenn 10H nicht falle, werde es in Bayern eng für den Artenschutz. Dann müsse man beim Bau neuer Windkraft-Anlagen zwangsläufig in sensible Gebiete gehen, in Wälder und zum Teil auch in Schutzgebiete, das sei schmerzhaft. “ Da würde auch der LBV protestieren, und dann wird uns unterstellt, ihr seid die Windkraft-Blockierer. Das sind wir nicht, 10H blockiert die Windkraft, nicht der Artenschutz.““ Sind alle Vogelschützer dieser Meinung? Dass in Ländern, in denen es keine 10H-Regelung gibt, der Angriff der Windkraftindustrie dennoch den Wäldern und (windreichen) Höhen gilt (Stichwort: Konfliktkonvergenz, Epple 2017, 2021), kann dem LBV-Chef nicht unbekannt sein. Es sei denn, er hat tatsächlich nichts gehört von Konflikten in Hessen, etwa im Odenwald, wo selbst vor FFH-Gebieten nicht Halt gemacht wurde, vom Reinhardswald und der drohenden Zerstörung der wundervollen Landschaft an der Oberen Weser im Herzen Deutschlands (5), von Windkraft-Tasc-Force und gezielter Verunglimpfung der Kritik in Baden-Württemberg und einem dortigen Forstminister Hauk/CDU, der einen von langer Hand vorbereiteten Angriff der Windkraft auf die Staatswälder oder gegen die wundervollen Buchenwälder der Schwäbischen Alb anführt. Hat Schäffer tatsächlich nichts gehört von der neu aufflammenden Diskussion um Windkraft im Naturerbe Pfälzer Wald in Rheinland-Pfalz? Weiß Schäffer nichts von der in breitem Umfang geplanten Auslieferung der Staatswälder (6) an die Windkraftindustrie in etlichen weiteren Bundesländern – überall völlig unabhängig von 10-H? Schäffer, der als versierter Biologe sicher verstanden hat, was der gezielte Angriff der GRÜNEN zur Unterstützung der Windkraftlobby auf das Individuen-bezogene Artenschutzrecht der EU bedeutet, lässt sich währenddessen als Vize-Chef der Vulture Conservation Foundation (VCF), eines internationalen Zusammenschlusses von Geierspezialisten, feiern, wenn es um die medienwirksame Selbstdarstellung bei der Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen geht (7). Da zählt dann für ihn und den LBV jedes Individuum. Genauso zählen einzelne Individuen, wenn zur Erforschung ihrer Wanderung besenderte Weißstörche Namen wie „Klippi“ und „Klappi“ bekommen (8). Auf den Weißstorch ist beim jüngsten Wirken der Windkraft-Bündnisse der Guten zurückzukommen.
Zunächst aber müsste man Richard Mergner und seine Alliierten fragen: Wo haben andere, gerade die bekannten „Windkraftsensiblen“ unter den Wildtieren Platz, wenn für das EE-Wunder nach BUND 120 Windkraftanlagen pro Landkreis oder eine WEA pro 1500 Einwohner stehen?
Drittens: Fridays for Future: „Wir streiken, bis ihr handelt. Kämpfen Sie weiter für diese sogenannte Verspargelung der Landschaft.“ Die junge FfF-Einpeitscherin, die solches vor illustrem Windkraftlobby-Publikum vom Stapel ließ, heißt Leevke Puls, und taucht ganz offiziell in der Referentenliste des BWE auf. Sie firmierte als Sprecherin der GRÜNEN-Jugend Kiel und arbeitet nach eigener Darstellung in der Pressestelle der GRÜNEN Landtagsfraktion. Der in dieser Diktion natur- und menschenverachtende Auftritt der „Klima-Aktivistin“ ergänzt die Forderung nach Abschaffung von 10H in Bayern, und ist in einem Artikel in der WELT dokumentiert (9). Fridays for Future gehört ohne Zweifel zu den aggressivsten Vorfeld-Organisationen der Windkraftindustrie. Dies ist an dieser Stelle nicht weiter auszuführen. Wer sich Fridays for Future andient, kann extremistische Tendenzen in der Klima-Aktivisten-Szene jedenfalls nicht ausblenden („Ein Hilfeschrei der Jugend? Eher Vorbote extremistischen Denkens“, so der Titel eines Artikels des Extremismus-Spezialisten Prof. Alexander Straßner am 11.07.2019 in der WELT, Auszug: „(…)Neubauer bedient sich im Fundus der MeToo-Bewegung, um die maximale Ablehnung des Gegenübers nicht argumentativ zu unterfüttern, sondern es moralisch zu diskreditieren. Jede Diskussion wird dadurch unmöglich, jeder noch so sachlich vorgetragene Kritikpunkt zum Anliegen des „alten, weißen Mannes“. Die einzige Option, einen Shitstorm zu vermeiden, besteht in der Unterwerfung.“
Was bedeutet vor dem Hintergrund gegenwartsphilosophischer Einteilung in Gut und Böse und einhelliger Windkraftunterstützung der neuen Bündnisse des Guten der…
Tod eines Steinadlers, Tod eines Kaiseradlers, hundertfacher Tod der Seeadler, Mäusebussarde, Rotmilane, tausendfacher Tod der Geier – Aufstellen von Windrädern ohne moralischen Belang?
Zwei individuelle Schicksale von an Windkraftanlagen zu Tode gekommenen Adlern haben jüngst Schlagzeilen gemacht. Sie können Anlass für die Frage sein, ob am Ende mit dem Feldzug der Windkraftindustrie gegen die Natur nicht doch moralische Belange berührt sind. Die schon angesprochene Rolle der Medien fällt besonders im jüngsten Fall ins Auge; zwei Screenshots zur Verdeutlichung:
Im Falle des durch eine WEA geköpften Steinadlers im Schweizer Jura war es ein Glücksfall, dass dies von einem Passanten direkt beobachtet und sofort dokumentiert wurde. Ansonsten wäre nach Verschwinden des Adlers Verschweigen und Vertuschen zur Möglichkeit geworden. Auch für Kaiseradler „Johannes“ ist die Dokumentation einzigartig wertvoll und im Netz zugänglich. Die absurde Logik der Boulevardpresse, der Vorfall im Windindustriegebiet Mont-Soleil im Berner Jura „zeige, das der Vogelschutz in der Schweiz funktioniert“, ist kennzeichnend für eine Medienwelt, in der Windkraft per se gut ist. Man garniert eine Horror-Nachricht flugs mit Relativierung. Mit der gleichen Logik könnte man das „Entnehmen“, sprich: Fangen und Töten von Fischottern in Ostbayern oder das Vergiften von Wölfen im Irgendwo als „gutes Zeichen“ werten. Denn damit ist wie im Jura das jeweilige Comeback der Art dokumentiert. Dies als Grußadresse an die Gregor-Louisoder-Stiftung, in deren Reihen man sich sehr wohl und medienwirksam zusammen mit dem erwähnten LBV unter „Tatortnatur“ um individuelle Natur-Kriminalität gegen Wildtiere kümmert.
Die beiden Adler stehen jedoch für eine völlig andere Dimension. Sie stehen für ethologisch, evolutionsbiologisch und ökologisch tiefgreifende Zusammenhänge: Alleine in Deutschland zählt die Kartei der – wohlgemerkt – Zufallsfunde, die die LfU Brandenburg führt, Stand Mai 2021, folgende Windkraft-Opferzahlen: 685 Mäusebussarde, 637 Rotmilane, und 211 (!) Seeadler. Für den Gänsegeier sind in der europäischen Version der Tabelle zum gleichen Datum 1892 Windkraftopfer (Schwerpunkt Spanien) verzeichnet. Das nun publik gewordene Schicksal der Einzelvögel legt eklatanten Schwächen, ja den Irrweg der inzwischen gängigen „Ansätze“ zum Naturschutz im Zusammenhang mit Windkraft frei. Aus dem Neusprech von Gutachten, Vorschriften und der Gerichtsbarkeit seien einige Vokabeln genannt: Dichtezentren, Raumnutzungsanalysen, Flugkorridore, Signifikanz des Tötungsrisikos…
In den Hunderten von Stunden, in denen ich seit meiner Studentenzeit Bussarde, Gänsegeier, Rotmilane und Weißstörche an verschiedensten Orten beobachtet habe, war mir immer die Freiheit der großen Vögel, die den Luftraum als quasi unbegrenzten Teil ihres Lebensraumes nutzen, ein Anlass zu heimlichem Neid. Wie eng unsere menschlichen Horizonte im Vergleich zu dem der Adler, wie wenig vollständig unser Blick in und auf das Land, wie eingeschränkt unsere Bewegungsmöglichkeit im Vergleich zu diesen poesieanregenden Geschöpfen. Wer einmal beobachtet hat, wenn an einem glasigen Frühsommer-Tag mit Blauthermik Störche scheinbar aus Freude am Leben zum Kreisen über dem Dorf abheben, wie Kolkraben, Bussarde oder Milane in solchen Momenten zu gemeinsamen Ausdrucksflügen starten, dem sind „Flugkorridore“, die man ihnen zuweist oder das „signifikant (nicht?) erhöhte Tötungsrisiko“ wenige Hundert Meter neben einem Windkraftmonster einfach nicht nachvollziehbar… Seelenloses Einzwängen lebenseifriger Wildtier-Individuen in realitätsferne Statistik, kommt mir in den Sinn.
Die Einzelschicksale der beiden Adler, aber auch eines Jeden der Hunderte Geier, der Seeadler, Milane oder Bussarde, zeugen vom Wert der Individuen, den ich im Kap.5.4 meines Buches ausführlich aufarbeite (10). Sie alle bestätigen eindrucksvoll die Sichtweise des Europäischen Gerichtshofes, der den individuellen Ansatz des Artenschutzes im Urteil vom 04.03.2021 (C.473/19, C-474/19) ausdrücklich bekräftigt hat. Individuelle Schicksale des Todes von Wildtieren an Windturbinen zeigen die Grenzen des Neusprechs einer beklemmend willfährigen Gutachter- und Biologen-Szene. Nicht nur, dass sich der Berner-Jura-Steinadler genauso wenig wie Kaiseradler „Johannes“ an einen Flugkorridor halten wollte. Nicht nur, dass beide in ihrem Todesflug vermutlich einem gutachterlich festgestellten „nicht signifikanten Risiko“ ausgesetzt waren. Nein – das Brüten der Steinadler außerhalb der Alpen gehört wie das der Geier in den Alpen und genauso die weite Erkundungsreise des jungen Kaiseradlers zu einem gerade für auffällige Arten gut dokumentierten Geschehen: Im Rahmen der Wiederkehr und Neubesiedlung von Arealen wird von „Randständigen“ und „Pionieren“, vermutlich auch Regeln der Epigenetik gehorchend, Evolution zum direkt Beobachtbaren. Erste Ansiedlung und im zweiten Schritt erfolgreiche Fortpflanzung außerhalb der heute noch übrig gebliebenen Kerngebiete und außerhalb politisch definierter Dichtezentren ist, was zur Arealerweiterung und Wiederkehr im evolutionären Maßstab beiträgt. Das ist Ziel des Artenschutzes. Die Individuen erfüllen den Geist der EU-Richtlinien zum Artenschutz mit Leben! Der Steinadler, um am Beispiel zu bleiben, war einst Brutvogel nicht nur der Alpen, sondern der Mittelgebirge und großer Waldgebiete auch des Flachlandes. Wo sollen die Vögel Fuß fassen, wenn schon jetzt und erst recht zukünftig weitere Aber-Tausende Windkraftanlagen den europäischen Luftraum unsicher machen? In der realen Dynamik und in den persönlichen Lebenszyklen einzelner Individuen, versagt jede Windkraft-Ermöglichung-Statistik. An den Individuen aber greift die Selektion an. An ihnen entscheidet sich Richtung und Erfolg der Anpassung, auch der Anpassung an den Klimawandel. Am Schicksal der Individuen misst und summiert sich der Erfolg des Naturschutzes. Ihr Tod in Windturbinen ist kein Zeichen, dass „Vogelschutz funktioniert“. Nirgends. Es gilt genau das Gegenteil.
Artenschutz ist demnach nicht eine Frage von Quantität. Es geht nicht um einen Mengenrabatt beim Inkaufnehmen der Todesfälle, wie leider die unter Biologen neuerdings Mainstream-konforme verbreitete Windkraft-Ermöglichung immer wieder glauben machen will. Zunahme von Arten trotz Windkraftzubau darf nicht zu billigen Rückschlüssen führen. Hierzu eine aktuelle Kostprobe aus der FAZ: „Steht das Windrad, bringt das Vogelschlag mit sich. Schwer ist es, die Folgen für die Population zu belegen. Die Frankfurter Biologin Katrin Böhning-Gaese spricht von Beispielen an Bundesländern, in denen Windkraft ausgebaut wurde und gleichzeitig die Vogelbestände an kritischen Arten gestiegen sind, und von Arbeiten, die das Gegenteil beweisen. Für sie geht es mit dem Artenschutz um den Schutz von Population. „Insofern ist es nicht undenkbar, dass, wenn an einem Punkt höhere Sterberaten auftreten in der Nähe von Windkrafträdern, dass man das durch Ausgleichsmaßnahmen ausgleichen kann“, sagt die Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums.“ (11). Die hohen Weihen eines Senckenberg-Forschungszentrums können auch in diesem Fall nicht über das Andienen an politisch gewollte grundsätzliche Umdeutungen der Grundlagen des Naturschutzes hinwegtäuschen. Auch in solchen Kreisen sollte man wahrnehmen, welche Windkraft-Dimensionen ein „oberster Naturschützer“ vom Zuschnitt Richard Mergners erträumt.
Der Storch wird zum Problemvogel – Glanzleistungen der Windkraft-Verbündeten der Bündisse des Guten
Möglicherweise tragen aktuelle Einschüchterungen und Gewaltaktionen gegen den Wappenvogel des im „Vogelfrieden“ mit den GRÜNEN vereinten NABU (8) dazu bei, dass die Öffentlichkeit noch rechtzeitig wahrnimmt, was es ausgehend von Deutschland für den europäischen Naturschutz geschlagen hat. Der Weißstorch hat als positives Symboltier anscheinend bald ausgedient. Die folgenden Screenshots aus der – angesichts der Brutalität nicht mehr vermeidbaren – Berichterstattung in den Medien benötigen keine Kommentierung:
Weiter heißt es im Bericht des NDR, Screenshot-Fortsetzung:
(…)
Anzumerken ist, dass es sich um keinen Einzelfall handelt. Jeweils werden Behörden zu Erfüllungsgehilfen der Windkraftindustrie. Auch im Münsterland wird derzeit ein Ehepaar aus einer Kreisverwaltung heraus wegen einer die Windkraft angeblich behindernden Nisthilfe für den Weißstorch bedroht. Den assistierenden Schriftsatz hat in diesem Falle die Rechtsanwaltsgesellschaft Maslaton mbH geliefert. Es handelt sich um jenen Juristen und Windkraft-Funktionär, der nach dem den individuellen Artenschutz bekräftigenden Urteil des EuGH (C.473/19, C-474/19 vom 04.03.2021) auf seiner Homepage verlautete: „(…)Die Änderung der FFH und der Vogelschutzrichtlinie ist nötig und im EU-Parlament auch möglich durch eine diabolische Allianz mitrechtsnationalen Kräften. Biografisch bedingt
kann ich diese Allianz nicht fördern – rational müssen die dem Klimaschutz und derEnergiewende Verpflichteten genau dies tun. Änderung der FFH und der Vogelschutzrichtlinie und zwar jetzt (…).“ (12)
Adler und Störche sind passé – neue Himmelsgeschenke für die Generation Klima und Elektro
Für mich ist der Anblick kreisender Adler oder aus großer Höhe zum heimatlichen Horst herabschraubende Störche noch immer ein Geschenk des Himmels. In einem der unzähligen Hochglanz-TV-Werbespots für Elektromobilität eines der führenden deutschen Autokonzerne schweben glitzernde E-Mobil-Luxuskarossen vom Himmel herab auf staunend andächtige junge Menschen. Es ist die sicher extrem teuer bezahlte mediale Ergänzung zum Treiben des amerikanischen Guru der Weltrettung durch E-Mobilität, der sich vor Lachen kaum halten konnte, als er auf die Wasserproblematik angesprochen wurde, die seine in Windeseile unter Medienjubel und ohne vollständige Genehmigung aus Brandenburgischem Boden heraus gestampfte Giga-Factory verursacht (13):
Ist das die Beglückung der klima-verängstigten Generation, die weltrettend nicht auf ihr Auto verzichten will (14)? Erstaunlich wenig Kritik war zu hören, als die Deutschland erobernde Ikone des Elektrofortschritts gleichzeitig auch noch die Weltraumtouristik – vermutlich klimaneutral – als „Pionier“ mit dem vielsagenden Begriff „Inspiration4“ nach vorne brachte. Ein Beispiel, womit sich Elite-Medien aus diesem Anlass beschäftigten, lieferte „Zeit.de“ (15). Es ist nicht nur die Macht der Bilder und der Medien, die im Rahmen des moralischen Fortschritts in dunklen Zeiten nachdenklich macht.
Schlussbetrachtung
Vordergründige Bündnisse der Guten reichen inzwischen weit. Sie reichen bis hinein in den offensichtlich ebenfalls auf Windkraft-Kurs gebrachten Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU). Dort scheinen die Theoretiker des Schutzes der Biodiversität ihren vorgesetzten Professorinnen, insbesondere der aus hunderten Medienauftritten im Dienste der Windkraftlobby bekannten Prof. Claudia Kemfert hoffnungslos unterlegen. Denn nichts anderes als die Bedienung der Partikularinteressen der Windkraftindustrie bedeutet es, wenn Landschaftsschutzgebiete und Wälder für die Windkraft auf Empfehlung des SRU freigegeben und die Abstände zu menschlichen Wohnbebauung deutlich kleiner werden sollen (16). Der Zweck heiligt offenbar überall in den Blasen der Guten unter dem Signum Klimaschutz die Mittel.
Dass übrigens der Windkraft-Funktionär Maslaton nach Druck aus den eigenen Reihen seine strategisch-politische Entgleisung gegen den EuGH aus seiner Homepage entfernte, darf nicht täuschen. Einschüchterung, Lavieren, Umdeutung von Fakten und neuerdings Ansätze politische Willkür gehören inzwischen zum Geschäft. Wenn Ausgrenzung der Kritik an den Auswüchsen der Energiewende schon nicht mehr verhindert werden kann, so ist sie doch wenigstens für alle diese Fälle für die Geschichtsbücher zu benennen.
Dem eingangs gewürdigten Philosophen möchte man aus Anlass seiner ans Bösartige grenzenden Zuweisungen zurufen: Nein! Wer sich für die Erhaltung der Wälder und ihren Schutz gegen die Vernichtung durch Windkraft einsetzt, meint damit nicht die „deutschen“. Nein! Wer Auswüchse der desaströsen Energiewende kritisiert, ist nicht zwangsläufig ein Minderbemittelter oder „Rechter“, der „falsche Lösungen für echte Probleme anbietet“. Wer sich wie Markus Gabriel im Rahmen des Anspruchs einer neuen Aufklärung an die naturfressende Öko-Industrie herandient, sollte sich ums Detail gekümmert haben. Einschüchterungen und Drohkulissen gegen Naturschützer sind Teil dieser Zeitenwende. Verwaltungsgerichte bügeln immer häufiger den Einspruch gegen Naturverwüstung mit „öffentlichem Interesse“ an der Windkraftindustrie weg. Die Geschichte wird zeigen, ob „öffentliches Interesse“ per gesetzgeberischem Federstrich auch unter Gesichtspunkten der Versorgungssicherheit die richtige Einschätzung war. Unter den Gesichtspunkten der Güterabwägung für den Schutz der Tiere, der nach Art. 20a GG Verfassungsrang hat, ist sie es heute schon nicht.
Eine ethische Einordnung darf formuliert werden: Windräder auf Kosten wertvollster Natur, an Rotoren geköpfte Adler, geschredderte Störche, deren Horste mit Gewalt beseitigt werden, um Platz zu machen für die Weltrettungsindustrie, sind wie die Einschränkung der Bürgerrechte für den Durchmarsch der Windkraftindustrie keine Zeichen für moralischen Fortschritt in dunklen Zeiten. Man darf gespannt sein, wie Markus Gabriel den durch Herrn Habeck anlässlich seines Besuchs beim Bayerischen Ministerpräsidenten Söder ausgerufenen „ökologischen Patriotismus“ bei den Guten einordnen wird.
Quellen (die meisten im Text verlinkt):
(1) https://www.nabu.de/news/2020/01/27553.html
(2) https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-klimaschutz-protest-zugspitze-windkraft-1.5398997
(4) https://www.br.de/nachrichten/amp/bayern/sind-windparks-eine-gefahr-fuer-den-rotmilan,Svo6x3P
(5) https://wolfgangepplenaturschutzundethik.de/?page_id=4493
(6) https://wolfgangepplenaturschutzundethik.de/?page_id=4447
(7) https://www.spektrum.de/news/der-bartgeier-kehrt-zurueck/1843717
(8) https://wolfgangepplenaturschutzundethik.de/?p=3716; https://www.lbv.de/naturschutz/arten-schuetzen/voegel/weissstorch/aktuelles-bei-den-lbv-satelliten-weissstoerchen/
(9) https://www.welt.de/print/welt_kompakt/hamburg/article194081927/Brauchen-einen-Rahmen.html
***(10) Epple, W. (2021). Windkraftindustrie und Naturschutz. Windkraft-Naturschutz-Ethik. Eine Studie für die Naturschutzinitiative e.V. (NI), 544 Seiten. Verlag BoD, Norderstedt. Dort speziell Kap.5. mit Unterkapiteln.
(13) https://www.youtube.com/watch?v=BtaGEhs5Nzg
(17) https://naturschutz-initiative.de/images/PDF2021/Generationengerechtigkeit.pdf